Der erste Roman ist ein Kampf – aber einer, den man lieben lernt
23.10.2025 AadorfSeit 25 Jahren schreibt Steven Schneider zusammen mit seiner Frau Kolumnen. Nun wagt er sich erstmals an die grosse Form: einen Roman. Im Gespräch mit Lesestadt Aadorf erzählt er, warum er so lange gewartet hat, wie man mit Zweifeln umgeht – und weshalb Schreiben immer auch eine ...
Seit 25 Jahren schreibt Steven Schneider zusammen mit seiner Frau Kolumnen. Nun wagt er sich erstmals an die grosse Form: einen Roman. Im Gespräch mit Lesestadt Aadorf erzählt er, warum er so lange gewartet hat, wie man mit Zweifeln umgeht – und weshalb Schreiben immer auch eine Frage der Ausdauer ist.
Herr Schneider, Sie schreiben seit über zwanzig Jahren zusammen mit Ihrer Frau Kolumnen – man kennt Sie vor allem als Kolumnisten. Nun legen Sie plötzlich einen Roman vor. Man kann die Frage auf zwei Arten stellen: Warum nicht früher – oder warum jetzt doch noch ein Roman?
Wir machen die Kolumne tatsächlich seit 25 Jahren, ein kleines Jubiläum also. Wenn man kreativ schreibt – also Geschichten erzählen will –, ist der Gedanke an ein fiktives Werk immer da. Ich habe das früher schon ausprobiert, aber nie durchgezogen. Ein Roman ist ein ziemlicher Kampf: Er braucht Selbstvertrauen, Zeit und Ressourcen. Man muss sich das leisten können – vor allem zeitlich, denn in dieser Phase verdient man nichts. Ich musste warten, bis die Kinder aus dem Haus waren, um mich wirklich darauf einzulassen.
Was macht es so schwierig, einen Roman zu schreiben?
Man muss unzählige Entscheidungen treffen: Welchen Stoff wähle ich? Welche Perspektive, welche Zeitform? Erzähle ich in der Ich-Form oder als Beobachter? Das alles muss man ausprobieren. Ich habe anfangs vieles doppelt und dreifach geschrieben, um herauszufinden, was funktioniert.
Eine Knochenarbeit.
Ja. Auch weil man allein ist mit seinen Zweifeln. Man glaubt, man habe es endlich – und beim nächsten Lesen merkt man: nein, doch nicht. Das kann frustrierend sein. Die ganze Zeit sitzt dieses kleine Männchen auf der Schulter, das flüstert: «Steven, niemand vermisst dein Buch, wenn es nicht erscheint.» Und das stimmt ja: Es erscheinen pro Tag 300 Bücher auf Deutsch. Ob eines mehr oder weniger – spielt keine Rolle. Aber man macht es trotzdem.
Was hält einen bei der Stange?
Irgendwann ist man einfach zu weit, um aufzugeben. Früher habe ich diesen Punkt nie erreicht – diesmal schon. Vielleicht auch, weil ich eine gewisse Verantwortung gespürt habe: gegenüber meiner Frau, die das alles mitträgt, und gegenüber mir selbst. Man ist dann auch unvorsichtig und erzählt anderen Leuten, dass man dran ist. Und dann denkt man: Hätte ich doch nie etwas gesagt, die warten alle. Ich habe dann der kantonalen Förderstelle eine Leseprobe geschickt – und erhielt tatsächlich einen Beitrag. Das war ein grosser Schub.
Und das Gefühl, wenn man den Text dann endlich fertig hat?
Einerseits ist es befriedigend, andererseits fragt man sich sofort: Ist das wirklich gut? Jeder kann ein schlechtes Buch schreiben, aber das will ja niemand. Danach kommt die Verlagssuche – und das ist wieder ein steiler Berg. Verlage gehen ein Risiko ein, viele lehnen ab. Es gibt auch Bezahlverlage, die einem das Blaue vom Himmel versprechen, wenn man nur zuerst 15‘000 Franken zahlt. Aber das ist Unsinn. Ich wollte einen richtigen Verlag – und das ist mit Rüffer & Rub gelungen. Dort zahlt man nichts, im besten Fall bekommt man später sogar etwas. Und man hat die Bestätigung: Jemand glaubt an den Text.
Wie muss man sich das vorstellen, wenn man zu einem Verlag geht? Kommt dann ein Lektor und sagt, was man am Text ändern soll – wo ein Dialog zu lang ist oder ein Komma fehlt?
Bei mir waren es eher 200 Kommas! Die Zusammenarbeit war aber sehr angenehm. Jeder Verlag hat sein Profil, jeder Lektor seinen Stil. Meiner hat das Buch besser gefunden als ich selbst – ein Glücksfall. Wir haben wenig geändert: ein paar Sätze gekürzt, einen Briefwechsel gestrichen, der nicht nötig war.
Das war ein echter Dialog auf Augenhöhe, kein Umarbeiten. Er hat gesehen, was im Text steckt – und das hat mir viel Sicherheit gegeben.
(PD)
Lesestadt Aadorf – ein Wochenende voller Literatur
Vom 13. bis 16. November lädt die Lesestadt Aadorf erstmals zu einem Wochenende ganz im Zeichen des Lesens ein – mit Lesungen, Diskussionen, Spoken Word und vielen Begegnungen. Ein besonderer Höhepunkt ist die Matinée-Lesung mit Steven Schneider, der aus seinem Roman «Die schnellste Frau der Welt» liest. Der Roman erzählt die wahre Geschichte der tschechischen Rennfahrerin Eliska Junek, einer Frau, die in den 1920er-Jahren gesellschaftliche Grenzen sprengte. Nach einer Jugend voller Rückschläge – einer gescheiterten Liebe, einer lebensgefährlichen Abtreibung und der Verwehrung ihrer Reiseträume – findet Eliska ihre Freiheit am Steuer. Gemeinsam mit ihrem Mann Vincent tritt sie gegen die besten Fahrer Europas an und wird zur Legende des Motorsports. Doch ihr Erfolg hat einen Preis: Unabhängigkeit, Liebe und gesellschaftliche Anerkennung lassen sich nicht gleichzeitig gewinnen. Das Buch ist im Büecherchorb in Aadorf erhältlich – für nur 10 Franken statt 37.50 Franken.

