Den Verstorbenen die letzte Ehre erweisen
03.12.2022 ElggAll den Verstorbenen zu gedenken in der letzten Woche des Kirchenjahres hat Tradition in der Pflege Eulachtal. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegezentrums in Elgg fanden zusammen, um ihre liebsten Mitmenschen und ihre verstorbenen Mitbewohner nochmals würdevoll und feierlich zu ...
All den Verstorbenen zu gedenken in der letzten Woche des Kirchenjahres hat Tradition in der Pflege Eulachtal. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegezentrums in Elgg fanden zusammen, um ihre liebsten Mitmenschen und ihre verstorbenen Mitbewohner nochmals würdevoll und feierlich zu ehren.
Maja Berger, Leiterin der Aktivierungstherapie, führte liebevoll und achtsam mit Gedichten, Texten und offenen Fragen zum Leben, Sterben und dem Tod durch den nachmittag. Assistiert wurde sie von Irene Bolt und Rita Jenni. Das liebevolle Gedenken an diejenigen, die schon gegangen sind, wurde musikalisch umrahmt von Sawako Miura am Klavier und Yen-Chi Chen an der Querflöte. Maja Berger lies unter anderem diesen Liedtext anklingen: «Die goldnen Ähren fragt der Wind, ob wir bereit zum Sterben sind. Die goldnen Ähren reden nicht und neigen tief ihr Angesicht.»
Sie holte die Anwesenden achtsam ab, indem sie darüber sprach, dass wir alle den Lebenskreislauf längst kennen würden. Da gebe es nichts daran zu schieben und formen. «Doch sind wir auch bereit, den letzten Schritt anzunehmen?», fragte sie. «Gibt es noch etwas, was wir bereinigen wollen und sollten? Haben wir Ängste oder Nöte, wenn wir ans Sterben denken, ans nicht mehr Dasein? Wo ist Unterstützung gefragt von Angehörigen, Pflegenden und Betreuenden?» All diese Fragen fanden Raum und Zeit, um diskutiert zu werden.
Ermunterung zu leben, lieben, lachen …
Mit dem schalkhaften Gedicht von Kurt Marti, «Es klopft der Tod an die Tür, ich aber rief: ‹Wir sind nicht hier›», setzten sich die Bewohnerinnen und Bewohner noch einmal mit den eigenen Bedürfnissen, die auch im hohen Alter noch lebendig sein können, auseinander. «Manche Menschen warten bereits auf die Erlösung, andere möchten noch so manches auf dieser Welt geniessen: noch einmal durch die Jahreszeiten spazieren, Bücher lesen, ein paar Stunden mit den Urenkeln, Liebsten oder in einer wohlwollenden positiven Gemeinschaft im Pflegezentrum verbringen. Und andere sind ganz einfach neugierig, was das Leben an Überraschungen noch für sie bereithält.»
Maja Berger ermunterte die Anwesenden, trotz diverser Gebrechen, nochmals in das Leben einzutauchen, zu lieben, lachen, Beziehungen zu pflegen, sich verbunden zu fühlen oder die Düfte, Farben und Formen der Natur zu geniessen. Vielleicht dürfe es auch etwas Verrücktes sein, wie einen Liebesbrief zu schreiben. Oder sie erinnerte an die über 95-jährige Bewohnerin, die sich sehnlichst wünschte, noch einmal im Seitenwagen des Motorrads mitzufahren, was wunderschön für alle Beteiligten gewesen sei. «Äussern Sie ihre Wünsche und Träume, damit wir Sie unterstützen können und Sie nochmals den Zustand von Freiheit und Lebendigkeit spüren dürfen.»
Zugleich gelte es aber auch, ja zu sagen zu einer Krankheit, oder sich bewusst Zeit zu lassen, mit dem Unabwendbaren Frieden zu schliessen. Bei den Bewohnerinnen tauchten Erlebnisse eigener Abschiede von geliebten Menschen oder durchlebten und überstandenen schweren Erkrankungen auf. Doch es klang auch eine grosse Dankbarkeit mit. Ein Bewohner berichtete, wie er schwer krank ins Pflegezentrum eingetreten und hier wieder auf die Beine gekommen sei – dank der guten Fürsorge und Pflege. «Wenn jemand dem Tod ins Angesicht geblickt hat und ins Leben zurückkommen durfte, soll er sich bedanken», meinte er, «ich bin allen Menschen, die mich gepflegt haben, sehr dankbar! Und ich hatte es noch nie so schön in meinem Leben, wie hier im Pflegezentrum Eulachtal.»
Würdevolle und feierliche Andacht
Doch irgendwann im Leben klopft der Tod bei allen an. «Wissen sie, wie sterben geht?», fragt Maja Berger in die Runde. Eine mutige Frage, die doch weitgehend von allen beantwortet werden konnte, zumal der Palliativmediziner Professor Steffen Eychmüller kürzlich im Pflegezentrum Eulachtal einen Vortrag darüber gehalten hatte, wie der Sterbeprozess vor sich geht. Berger rekapitulierte: vielleicht ginge er ganz schnell, möglicherweise ganz leise oder gemütlich. «Wir mögen nicht mehr so viel essen und trinken, die Durchblutung des Gehirns nimmt ab und alles wird nicht mehr so wichtig. Körperliche Prozesse wie das Denken, Sprechen und Bewegen verlangsamen. Das Spüren im Aussen wird geringer, die Atmung und der Herzschlag werden gemächlicher. Manchmal tönt es wie ein Stöhnen oder Rasseln, wenn die Stimmbänder bei der Ausatmung schwingen. Der Mund will befeuchtet werden und langsam träumen wir hinüber. Und wo bei diesem Prozess Schmerzen auftauchen, haben wir heute die Möglichkeit, diese medikamentös zu lindern.»
Während der eigentlichen Feier las Berger alle Namen der im Pflegezentrum im letzten Jahr verstorbenen Menschen. Ihre Begleiterinnen Irene Bolt und Rita Jenni verteilten den Anwesenden ein Kerzlein, welches für jeden Verstorbenen im Heim und auch für die verstorbenen Freunde angezündet und feierlich in die mit Rosenblütenblättern, Efeu, Engeln und Kirchenbüchern geschmückte Spiralmitte gelegt wurde – als Symbol für den Weg ins Licht. Bei leuchtendem Kerzenschein, in feierlicher Stille in sich gekehrt, begleitet von sanfter Musik und mit weise gewählten Gedichten und Gedanken, klang der Nachmittag würdevoll aus.
DANIELA SCHWEGLER
DU HAST MEINEN NAMEN GERUFEN, UND ICH WURDE HINEINGEBOREN INS LEBEN. DU HAST MEINEN NAMEN GERUFEN, UND ICH WURDE HINAUSGEBOREN INS EWIGE LEBEN.