Den Hagstecken zurückbringen lohnt sich
19.07.2025 Region1225 verstirbt in Gerlikon der Hirt Heinrich Pfrinz
Mit Junker von Heidenheim (+1587) auf Klingenberg war im evangelisch gewordenen untern Thurgau nicht zu spassen. Er wirkte als einer der kompromisslosen Vertreter des alten unbezweifelten Glaubens in seinen ...
1225 verstirbt in Gerlikon der Hirt Heinrich Pfrinz
Mit Junker von Heidenheim (+1587) auf Klingenberg war im evangelisch gewordenen untern Thurgau nicht zu spassen. Er wirkte als einer der kompromisslosen Vertreter des alten unbezweifelten Glaubens in seinen Gerichtsherrschaften Homburg und Gachnang. Wenn sich der Kämpfer mit seiner Entourage Gachnang näherte, sollen die Bauern der umliegenden Dörfer vorsichtshalber Harnisch und Hellebarde zur Hand genommen haben. Dem zugeneigten Frauenkloster in Tänikon schenkt er jedoch eine bunte Allianzscheibe: «Caspar Ludwig von Haidenheim zu Klingeberg vnd Elsbetha von Haidenhaim geborne Richlin von Meldeck sin Eegmachell». Das biblische Motiv zwischen den beiden Stifterwappen ist Dürers Kleiner Passion entnommen: «Christus am Ölberg».
Zur Zeit der Gegenreformation achtete der Junker vor allem auf Erhalt und Wiederaufbau der Altäre in den Thurgauer Kirchen. In Gachnang hatte er deswegen vor versammelter Gemeinde, mit dem Landvogt, seinen Beamten und weiteren Herren einen unvergesslichen Auftritt. In einem seiner bekannten Ausbrüche habe er heftig auf den Boden gestampft und gerufen: «Da muss der Altar stehen!»
Der Tritt aber auf den Fussboden sei so heftig gewesen, dass die uralten Bodenplatten beim Chor nachgaben, zusammenkrachten und Junker von Heidenheim unerwartet einsank, sodass man ihn wieder herauszerren musste. Der Wütende war auf die Grablege des hier um 1225 begrabenen, im Volk hoch verehrten Heinrich Pfrinz aus Gerlikon durchgebrochen. Das habe den Junker und alle Anwesenden so erschreckt, sodass niemand mehr Lust gehabt habe, in der Altarsache fortzufahren.
Heinrich Pfrintz von Gerlikon
Die abrupte Erscheinung der Grablege erfasst die ganze Versammlung: Katholiken wie Evangelische, Obrigkeiten und Volk sind sprachlos und halten inne. Der längst beigesetzte aber unvergessene Hirt aus Gerlikon tritt erneut in ihre zerstrittene Gegenwart. Sein einfaches Leben und sein schlichtes Credo ergreifen. Es lebten zwar in seinem 13. Jahrhundert bedeutende Geistes- und Glaubensgrössen wie Thomas von Aquin, Duns Scotus und Meister Eckhart. Zu ihnen gesellten sich aber auch Zeugen mit einer bescheidenen Vita, jedoch voller Guttaten.
Ein Mann solcher Art war Heinrich Pfrintz, der sich seinen Lebensunterhalt als Hirte im Dorfe Gerlikon verdiente; ein Amt, das er zur Zufriedenheit aller Bauern ausübte. Die Legende erzählt, dass er dem Vieh alle Sorgfalt angedeihen liess, so dass es prächtig gedieh. Nach altem Hirtenbrauch betete er in der Einsamkeit auf den Feldern viel und bereute auch manch bö- sen Gedanken! Jahrelang erhob er sich bei jedem Wetter und begab sich in der ersten Morgenfrühe nach Gachnang, wo er die Frühmesse besuchte; auch auf dem Wege betete er hingebungsvoll und kehrte dann nach Gerlikon an seine Arbeit zurück.
Der liebe Gott liess ein Wunder geschehen: jeden Morgen läutete nämlich das Glöcklein zu Gachnang aus eigener Kraft so lange, bis der Hirte in die Kirche eingetreten war. Das bimmelte durch den frühen Morgen, froh und hell, sodass mancher freundlicher zur Arbeit aufstand.
Einmal aber, an einem trüben Herbstmorgen, als der Regen dünn und zäh herunterrann und die Wege schlüpfrig und fast ungangbar waren, nahm sich der Hirte auf dem Heimweg von Gachnang einen Stecken aus einem fremden Zaun, damit er ihm Stütze sein konnte durch den sumpfigen Weg. Als er am nächsten Morgen wieder nach Gachnang in die Messe schritt, verwunderte er sich sehr, dass das Glöcklein nicht läutete. Was habe ich Unrechtes getan?
Da kam es ihm plötzlich in den Sinn, dass er aus einem fremden Hag einen Stecken genommen hatte, der gar nicht ihm gehörte. Schnell eilt er an jene Stelle, steckt den Stecken wieder in den Boden und kehrt erleichtert und dankbar zu seinen Kühen zurück. Und siehe da, am nächsten Morgen läutete das Glöcklein wieder mit einem silbernen Ton dem Wanderer entgegen. Auf diese Weise habe der gerechte Gott anzeigen wollen, wie ihm auch die kleinste Ungerechtigkeit missfalle.
Heinrich Pfrintz starb und wurde in der Kirche von Gachnang neben der Kanzel mit besonderer Ehre bestattet.
MARKUS SCHÄR