«Das waren noch goldene Zeiten»
20.01.2022 AadorfAn die 50er- und 60er-Jahre, als der Eishockeysport in Aadorf einen hohen Stellenwert hatte, erinnern sich nur noch wenige Zeitgenossen: Ein Grund zu einem Rückblick.
Zwei ältere Aadorfer, namentlich Kurt Heider, einstiges Vereinsmitglied des damaligen Eishockeyclubs (EHC) Aadorf sowie John Knecht, Hüter der Vereinschronik, stehen mit Wehmut am Rand des Eisweihers. An diesen kalten Januartagen ist die Oberfläche lediglich mit einer dünnen eisschicht bedeckt. Ob ein Eislaufen wie einst wieder möglich sein wird, halten beide für unwahrscheinlich. Was jedoch sicher im Gedächtnis haften bleibt, sind Erinnerungen an goldene Zeiten.
1938 gegründet ...
Ins Schwärmen gerät Kurt Heider, ehemaliger Spieler des lokalen eishockeyclubs: «Aufgrund meiner Recherche ist der EHC Aadorf von vier Initianten am 27. November 1938 gegründet worden.» Zuerst wurde auf dem Eisweiher Hockey gespielt. Weil dieser nach dem Trockensommer im Jahr 1947 vollständig austrocknete, war dort im folgenden Winter nicht mehr ans Ausüben des beliebten Sports zu denken. Deshalb wurde nach einer geeigneten Alternative Ausschau gehalten.
Dank eines Inserats in der «Aadorfer Zeitung» wurde man fündig, nämlich bei der heutigen Kläranlage westlich der Lützelmurg, wo nun der Kynologische Verein eine Hundeschule betreibt. Nur die wenigsten wissen, dass dort – genannt Lützelflüh – einst Hockey gespielt wurde. Der Flurname bedeutet «klein, Felswand» und ist treffend für die Umgebung. Auf dem Areal wurde eine Beleuchtung installiert und das Feld mit hohen Banden abgesteckt. Als Garderobe diente eine einfache und anfänglich ungeheizte Holzbaracke. Man spielte noch ohne Helm, der erst im Jahr 1979 eingeführt wurde. Wer keinen hatte, durfte auch ohne aufs Eis. Gleichwohl ging es in den Meisterschaftsspielen hitzig zu und her, verfolgt von meist über 100 begeisterten Zuschauern. Erbitterte Gegner waren jeweils der EHC St. Gallen, Romanshorn, Flawil, Berg, Uzwil und Andelfingen. Selbst der HC Ambri-Piotta machte ein Gastspiel.
Um eine anhaltende Kälteperiode auszunutzen, wurde zuweilen an aufeinanderfolgenden Tagen gespielt, nämlich am Freitag, Samstag und Sonntag. «Fast wie die heutigen Profis», schmunzelt Heider, einer der damaligen Protagonisten, damals noch jung und spritzig. Doch lange währte die Blütezeit des Vereins nicht. In den 60er-Jahren verebbte die Begeisterung, zumal sich der Vorstand auf vier Männer ausdünnte und das Spielerkader ebenfalls einen merklichen Aderlass erlebte.
... und 1967 aufgelöst
«Eine Auflösung war aus diesen Gründen unausweichlich, was im Winter 1966/67 zum Zerfall des Vereins führte», sagt der heute 75-jährige Kurt Heider, der übriggebliebene Akteur. Mit Stolz präsentiert er einen aufbewahrten Matchbericht aus dem Jahr 1963, der «Aadorfer Zeitung» entnommen. Nicht unbedingt eine Ehrenmeldung, denn das Heimspiel gegen den EHC Uzwil ging 3:6 verloren.
Als Grund für die Auflösung des EHC Aadorf nennt Heider nicht etwa den Klimawandel, wovon noch niemand sprach, sondern das Aufkommen von Kunsteisbahnen. Diese entstanden rund um Aadorf, etwa in Uzwil, Wil, Winterthur, Weinfelden und Frauenfeld. Einige Mitglieder des EHC Aadorf, zum Beispiel Jürg und Heinz Ochsner, Martin Oberer, Heinz Zehnder und Kurt Heider, beschlossen deshalb, sich dem EHC Wil anzuschliessen. Dort fanden sie nicht nur bessere Trainingsbedingungen, sondern auch eine neue Heimat. Und vor allem konnten sie ihre sportliche Leidenschaft weiterhin ausüben und ihr Talent unter Beweis stellen – mit respektablen sportlichen Erfolgen. Karriere als Spieler, Trainer und Funktionäre machten insbesondere zwei von ihnen: Heinz Zehnder trainierte nicht weniger als sechs Vereine, unter anderem Weinfelden, Frauenfeld, Dübendorf und den Zürcher Schlittschuhclub (ZSC), wo er auch seinen Sohn «Zesi» unter die Fittiche nahm. Jürg Ochsner verblüffte als Spielertrainer, vorerst ebenfalls bei Wil, um danach zu einem Höhenflug mit dem EHC Arosa anzusetzen. er beendete seine Hockeykarriere in Kloten, dessen Verein er präsidierte, zum Schweizermeistertitel führte und sich als Vereinsmäzen betätigte.
Auch wenn der EHC Aadorf untergegangen war, blieb der Ort dem Ruf als Eishockeyschmiede treu. Cracks wie etwa Erni, Traxler, Schmid und Zesi Zehnder lernten das Hockey-ABC auf dem Eisweiher und sorgten später auf höchster Stufe für Furore. Zehn Jahre sind es nun her, als sich der damalige Nationalliga-A-Vertreter Kloten sogar mit einem Schautraining auf dem Eisweiher für die Unterstützung bedankte, verfolgt von zahlreichen Fans der Kloten Flyers. Mit ihrem rührenden Abgesang läuteten sie sozusagen einen nostalgischen Schlussgesang auf goldene Zeiten ein, die in den Köpfen der Einheimischen langsam zu entschwinden drohen.
KURT LICHTENSTEIGER