Bescheiden und hilfsbereit
23.03.2024 ElggDas Restaurant Obertor hatte die ganze Nacht geöffnet und bot evakuierten Personen Unterschlupf. Ein Dankeschön finden Monika und Oliver Zingg mit ihrem Team überflüssig. Selbstverständlich sei es gewesen. Auch von einem Interview hält Zingg nicht viel; denn ...
Das Restaurant Obertor hatte die ganze Nacht geöffnet und bot evakuierten Personen Unterschlupf. Ein Dankeschön finden Monika und Oliver Zingg mit ihrem Team überflüssig. Selbstverständlich sei es gewesen. Auch von einem Interview hält Zingg nicht viel; denn das Ganze sei eigentlich nicht der Rede wert.
Dagmar Oettli, Schwester der Besitzerin und Serviceangestellte im «Obertor», nahm sich die Zeit, die Nacht aus ihrer Sicht zu erzählen: «Wie jeden Freitagabend schlossen wir das Restaurant, putzten und rechneten dann ab. In den letzten Zügen der Abrechnung klopfte es an das Restaurantfenster. Meine Schwägerin stand draussen und gab uns zu verstehen, dass ein Haus an der Hintergasse brennt.»
Monika Zingg, die Schwester Oettlis, habe sofort die Feuerwehr alarmiert, welche aber bereits informiert gewesen sei. Dann sei sie mit ihrer Schwägerin nach draussen gegangen, um deren Hasen, die in einem Freigehege im Garten leben, in Sicherheit zu bringen. Dagmar Oettli selbst stellte in Absprache mit den Besitzern die Kaffeemaschine wieder an und schloss das Restaurant auf: «Wir dachten, so können die Menschen, die aus den Häusern flüchten, wenigstens in der Wärme warten.» Schliesslich habe die Polizei angefragt, ob sie das «Obertor» als offiziellen Treffpunkt einrichten könnten. Niemand sei dagegen gewesen. So seien dort von der Polizei die Personalien aufgenommen worden, um sicherzustellen, dass alle Personen, die in der Gefahrenzone wohnten, wirklich die Häuser verlassen hatten. Währenddessen offerierte das Restaurant allen Personen Mineralwasser, Kaffee und Tee. «Einige lehnten ab, die Stimmung war unterschiedlich», erzählt Oettli. «Einigen war der Schock ins Gesicht geschrieben, andere zitterten und konnten die Situation gar nicht richtig erfassen. Jemand fragte mehrere Male, ob dies eine Feuerwehrübung sei. Die Kinder nahmen es relativ gelassen, wahrscheinlich, weil ihnen das Ausmass und die möglichen Konsequenzen des Brandes gar nicht bewusst waren.»
Im Pyjama und barfuss im Restaurant
In dieser Nacht seien die Menschen teils im Pyjama und barfuss an den Tischen gesessen und hofften. Der Gemeinderat und die Polizei suchten gemeinsam nach Möglichkeiten, um diesen Menschen für die Nacht eine Notunterkunft bereitstellen zu können. Die Familie mit Kindern durfte als erste wieder in ihr Haus zurückkehren. Um 4 Uhr war die letzte Unterkunft gefunden. Als es eine halbe Stunde danach im Restaurant ruhiger wurde, hätten Besitzer und Serviceangestellte entschieden, offen zu bleiben.
«Wir dachten, dass sicher auch die Feuerwehr froh ist, wenn sie einen Rückzugsort hat», so Dagmar Oettli. Statt übermüdet ins Bett zu fallen, habe das «Obertor»-Team belegte Brötchen und Kaffee für Polizei und Feuerwehr bereitgestellt und an die Front gebracht. Bereits in den frühen Morgenstunden seien wieder Betroffene ins Restaurant gekommen, um ihren ersten Kaffee zu trinken und sich zu erkundigen, ob sie zurück in die Häuser dürften und wie die Lage allgemein sei.
Für Monika und Oliver Zingg sowie Dagmar Oettli war die durchgemachte Nacht eine Selbstverständlichkeit. Letztere sagt: «Es sind unsere Nachbarn, die betroffen sind. Niemand will einen solchen Brand erleben. Wir sind froh, dass niemand verletzt wurde, das ist die Hauptsache.» Sie stand auf, um die Gäste, die eben das «Obertor» betraten, zu bedienen.
ANJA C. WOLFER BAKA