Beim Frauezmorge ist Lebensfreude ansteckend
30.10.2025 ElggAm vergangenen Donnerstag fand der traditionelle ökumenische Frauezmorge statt – ein Anlass, der längst zu einem festen Bestandteil des Gemeindelebens geworden ist und von der reformierten sowie der katholischen Kirchgemeinde gemeinsam organisiert wird.
Gegen kurz vor 9 ...
Am vergangenen Donnerstag fand der traditionelle ökumenische Frauezmorge statt – ein Anlass, der längst zu einem festen Bestandteil des Gemeindelebens geworden ist und von der reformierten sowie der katholischen Kirchgemeinde gemeinsam organisiert wird.
Gegen kurz vor 9 Uhr herrschte im Saal der katholischen Pfarrei St. Georg schon reger Betrieb – über 50 Frauen hatten sich trotz nasskaltem Wetter auf den Weg gemacht, die Plätze füllten sich schnell. Nach einem reichhaltigen Frühstück mit frischem Brot, selbstgemachter Konfi und duftendem Kaffee, das Raum bot für angeregte Gespräche und Begegnungen, folgte der inhaltliche Teil des Vormittags: der Vortrag zum Thema «Lebensfreude ist ansteckend». Die Teilnehmerinnen waren schon bestens darauf vorbereitet – schon beim Eintreten war die Atmosphäre spürbar herzlich, lebendig und offen.
Das Frauezmorgeteam – Claudia Müller-Conte, Dora Zihlmann, Yvonne Gillmann, Isabelle Eigenmann und Yvonne Maillard – freute sich, die Referentin Susan Reinert Rupp willkommen zu heissen. Die Trainerin und Coachin für Achtsamkeit und Lebensfreude brachte in ihrem Vortrag auf inspirierende Weise wissenschaftliche Erkenntnisse, praktische Übungen und humorvolle Geschichten zusammen.
Ein Anlass mit Geschichte
Der Frauezmorge – ein Anlass nur für Frauen – hat in Elgg eine lange Tradition: Vor über 40 Jahren wurde er ins Leben gerufen. Der Zufall wollte es so, dass die Autorin direkt neben der Gründerin des Frauezmorge Platz fand – Doris Wiesmann, die mit wachem Interesse und stiller Freude dem Vortrag lauschte. Zehn Jahre lang leitete sie die Treffen, zunächst als rein reformiertes Angebot, später zusammen mit einer katholischen Kollegin ökumenisch. «Am Anfang wurden wir vom damaligen, ausschliesslich männlichen Kirchgemeinderat noch belächelt», erinnert sie sich schmunzelnd. «Es hiess: Warum müssen die Frauen morgens noch zusammensitzen und Kaffee trinken?» Doch der Erfolg gab den engagierten Frauen recht. Der Frauezmorge wurde bald zu einem beliebten Treffpunkt – nicht nur für anregende Gespräche, sondern auch für tatkräftige Unterstützung sozialer Projekte im In- und Ausland.
Lebensfreude – mehr als gute Laune
Mit dieser positiven Einstellung ging es in den Vortrag. «Lebensfreude steckt in jedem Menschen», betonte Susan Reinert Rupp zu Beginn. «Oft nehmen wir sie im Alltag einfach nicht wahr.» Ihr Ziel: die Zuhörerinnen einzuladen, die eigene Freude am Leben bewusster zu pflegen – und sie weiterzugeben. Mit grosser Lebendigkeit erzählte sie aus ihrem beruflichen Alltag in der Achtsamkeitsschulung, auch in psychiatrischen Kliniken, wo Menschen in schwierigen Lebenssituationen Wege zurück zu Freude und innerer Ruhe finden. Lebensfreude, so erklärte sie, sei keine oberflächliche Fröhlichkeit, sondern eine tiefe, wertschätzende Haltung dem Leben gegenüber – auch in dunklen Zeiten. «Freude am Leben bedeutet, dass alles Platz haben darf: auch Schmerz, Enttäuschung oder Trauer», sagte sie. «Es geht nicht darum, Negatives auszublenden, sondern das ganze Leben zu umarmen.»
Werkzeuge für mehr Glück
In ihrer humorvollen, praxisnahen Art sprach Reinert Rupp von ihren «Lebensfreude-Werkzeugen», die sie, eines nach dem anderen, aus einer Kiste vor sich herauszog. Manche davon seien leicht im Alltag umzusetzen, andere erforderten etwas Übung. Sie erzählte, dass Studien zufolge etwa 50 Prozent unseres Glücksempfindens genetisch bedingt sind, fünf Prozent durch äussere Umstände beeinflusst – und ganze 45 Prozent durch unsere innere Haltung und Einstellung. «Das ist die gute Nachricht», so die Referentin, «denn diese 45 Prozent liegen in unserer Hand!» Ein zentrales Werkzeug ist Dankbarkeit. Sie empfahl, abends fünf Dinge aufzuschreiben, für die man an diesem Tag dankbar ist. «Man schläft anders ein, wenn man mit einem Lächeln auf das schaut, was gelungen ist», sagte sie. Wer das gemeinsam mit einer Freundin oder dem Partner tue, merke bald, dass man tagsüber bewusster nach positiven Momenten Ausschau halte. Auch kleine Übungen wie das «Dankbarkeits-ABC» – zu jedem Buchstaben etwas finden, wofür man dankbar ist – sorgten im Saal für Lachen und Staunen. Es gehe darum, die Wahrnehmung zu trainieren, den Blick auf das Gute zu lenken – ähnlich wie beim Sprachenlernen: «Was wir üben, wird stärker. Wenn wir Freude üben, wird sie Teil unseres Alltags.»
Wahrnehmung und Fokus
Mit anschaulichen Beispielen zeigte sie, wie selektiv unsere Wahrnehmung ist. «Unser Gehirn ist darauf trainiert, Gefahren und Probleme zu erkennen – das war fürs Überleben wichtig. Doch heute müssen wir lernen, auch das Gute bewusst wahrzunehmen.» Ein kleines Experiment machte dies deutlich: Während die Teilnehmenden in einem Video zählen sollten, wie oft ein Ball hin und her geworfen wurde, übersahen viele eine Person im Gorillakostüm, die durchs Bild lief. Das Gelächter im Raum war gross – und der Aha-Moment ebenso. «Das, worauf wir unseren Fokus richten, bestimmt unsere Welt», fasste Reinert Rupp zusammen.
Ein weiteres Werkzeug: die Körperhaltung. Mit einem Augenzwinkern erklärte sie, dass schon ein kleines Lächeln, selbst wenn es zunächst «nur gespielt» ist, Glückshormone aktiviert. «Unser Körper weiss nicht, ob wir echt oder künstlich lächeln – aber er reagiert!»
Sie zeigte auf, wie Haltung und Emotion sich gegenseitig beeinflussen. «Wer aufrecht geht, fühlt sich stärker. Probieren Sie es aus – gerade an grauen Tagen.» Bald füllte sich der Saal mit lachenden Gesichtern, die den Satz «Lebensfreude ist ansteckend» sichtbar verkörperten.
Akzeptanz und Vertrauen
Doch Reinert Rupp sprach auch über die andere Seite des Lebens – über Schmerz, Widerstand und das Annehmen dessen, was ist. Sie erklärte eine einfache, aber tiefgehende Formel:
Leiden = Schmerz × Widerstand. «Den Schmerz können wir oft nicht vermeiden», sagte sie, «aber wir können lernen, den Widerstand zu verringern.» Sie erzählte berührend, wie ihr eigener Vater nach einer schweren Diagnose durch Achtsamkeit gelernt habe, den Moment anzunehmen, anstatt gegen das Unvermeidbare anzukämpfen.
Am Ende lud sie die Frauen zu einer sinnlichen Übung ein: Eine kleine Rosine wurde mit allen Sinnen betrachtet, gerochen, gefühlt und erst ganz zuletzt gegessen. «Wie riecht Lebensfreude? Wie schmeckt sie? Wie fühlt sie sich an?» – Fragen, die im Raum nachklangen. Diese Übung machte spürbar, was Reinert Rupp den ganzen Vormittag über vermittelt hatte: Lebensfreude entsteht, wenn wir wirklich da sind – im Hier und Jetzt, mit offenem Herzen und wachem Sinn.
Ein Fazit voller Wärme
Als der Vormittag zu Ende ging, herrschte im Saal eine besondere Stimmung – leicht, heiter, verbunden. Viele Frauen nahmen nicht nur neue Gedanken, sondern auch ein warmes Lächeln mit nach Hause. Der Frauezmorge hat einmal mehr gezeigt, wie wertvoll Begegnung, Austausch und ein gemeinsames Innehalten sein können. Vielleicht, so meinte eine Teilnehmerin beim Hinausgehen, beginne Lebensfreude genau dort, wo man sie teilt.
SARAH STUTTE


