Bei ihr wird alles gegessen, was auf den Tisch kommt

  01.10.2022 Hagenbuch

Dass dem so ist, hat nichts mit Vorschriften zu tun, sondern damit, dass Bea Albert einfach gut kocht und die Schulkinder am Mittagstisch mit Gerichten verwöhnt, die auf die kleinen Gäste zugeschnitten sind. Dabei werden nicht nur Hamburger und Pommes serviert, sondern abwechslungsreiche Gerichte und zum Naschen rohes Gemüse.

Kurz vor Mittag duftet es im Eingangsbereich des Schulhauses Fürstengarten bereits herrlich nach Essen. In der Küche steht Beatrice «Bea» Albert hinter dem Herd und rührt in grossen Pfannen, in denen Kartoffeln und Teigwaren für Älplermagronen kochen, die angebratenen Speckwürfel liegen bereit, dem Gericht die Krone aufzusetzen.
Der Köchin ist anzusehen, dass sie mit grossem Spass am Werk ist. Es gehe ihr sicher nicht um den Lohn, den sie für die vier Mittagstische pro Woche erhält. Angefangen hat sie 2018 mit zwei Mittagen, danach wurde auf drei erhöht und seit August 2019 kocht sie viermal für zwischen sieben bis zwölf Kinder, je nach Wochentag. Das Angebot wurde stetig ausgebaut, weil die Nachfrage danach besteht; immer mehr Eltern sind berufstätig, arbeiten auswärts. Für sie ist der Mittagstisch eine perfekte Unterstützung, im Wissen, dass ihr Kind gut aufgehoben und betreut ist und erst noch ein frisch zubereitetes, abwechslungsreiches Mittagessen in Gesellschaft geniesst. Während es in den Pfannen dampft und blubbert, blättert Albert in ihren Unterlagen: «Im letzten Jahr habe ich insgesamt für 1124 Kinder gekocht, am meisten im Januar mit 141. Hier ist alles dokumentiert für die Gemeinde, die den Eltern allmonatlich eine Rechnung schickt. Pro Mittagessen werden 13 Franken verrechnet.» Die Waren werden ihr vorfinanziert, Ende Monat wird minutiös anhand der Einkaufsquittungen abgerechnet. Ab und zu klopft unangemeldet die Gesundheitskommission an die Küchentüre und prüft, ab alle Vorschriften eingehalten werden.

Es soll gesund sein und den Kindern schmecken

Im Lauf der Zeit haben sich deutliche Favoriten herauskristallisiert und Bea Albert weiss genau, womit sie den kleinen Gästen eine besondere Freude machen kann. Topfavorit sind Omeletten mit verschiedenen Einlagen, aus denen gewählt werden darf, gefolgt von Riz Casimir, Älplermagronen oder Pizza. Natürlich stehen auch Pommes ganz oben auf der Liste oder andere Gerichte, die Kinder gemeinhin mögen. Zum Naschen stehen auf dem Tisch auch Gemüsestücke bereit, meist Gurken oder anderes, das sich gut zum roh essen eignet. Kinder mögen aus ihrer Erfahrung heraus lieber rohes als gekochtes, warmes Gemüse. Hat sie schon einmal etwas total in den Sand gesetzt? «Ja, beim Würzen von Kartoffelstock habe ich Muskat mit Zimt verwechselt. Ich konnte es gerade noch hinbiegen mit Rausfischen, aber etwas ist halt hängengeblieben. Die Kids fanden lediglich, dass der Stock komisch schmecke. Aber so richtig missraten ist mir noch nie etwas.» Albert schätzt ihre unkomplizierte Kundschaft, so müsse sie momentan auf keinerlei Allergien, Lebenseinstellungen oder religiöse Gegebenheiten Rücksicht nehmen. Sie könne einfach kochen, was sie und die Gäste mögen; ein einziges Kind esse keinen Käse, aber das sei auch schon alles.
Kurz bevor beide Uhrzeiger auf der Zwölf stehen, wird immer öfter eine der Küchentüren geöffnet. Ein neugieriges Kind nach dem andern streckt den Kopf herein und will wissen, was es gibt. Ein Mädchen kommt herein, setzt sich auf die Anrichte, ein Bub hebt den Pfannendeckel. Es ist gerade so, wie in einer Familienküche; Bea Albert die Ersatzmutter. Ein Eindruck, der nicht trügt. Sie pflegt zu den Kindern eine enge Beziehung, kennt ihre Eigenheiten und manchmal die grösseren und kleineren Sorgen. Dabei gilt eine strikte Abmachung: Was in der Küche oder im Esszimmer erzählt wird, bleibt auch dort. Albert ist eine Ansprechperson, bei der die Kinder auch mal «abladen» dürfen. Sie pflegt auch eine klare Abgrenzung zu den Lehrpersonen. Diese dürfen nicht am Mittagstisch mitessen, damit die Kinder unter sich sein können.

Regeln und Respekt

Bea Albert erzählt, dass sie mit allen Kindern per du sei, dies aber auf den Respekt ihr gegenüber absolut keinen Einfluss habe. Das freundschaftliche Klima ist deutlich zu spüren. Anständig wird zum Schöpfen angestanden, dann am angeschriebenen Platz hingesetzt und gegessen. Zuerst etwas still und verhalten – schliesslich sitzt die Frau von der Zeitung mit im Raum – aber bald wird es lauter und die kindgerechten Gespräche nehmen ihren Lauf. Auf die Frage, ob Bea immer gut koche, folgt ein einstimmiges «Jaaa» aus acht Kindermündern. Albert erzählt, dass es eigentlich immer mehr oder weniger ruhig zu und her gehe. Natürlich habe es an manchen Tagen Kinder, die sich nicht so einfach einfügen oder etwas lauter seien, aber sie habe alles gut im Griff. Nach dem Essen werden die Teller in den Servierwagen zurückgestellt, dann aus einem Korb ein kleines Dessert ausgesucht, bevor es selbständig zum Zähneputzen geht. Danach teilen sich die Kids auf: Die einen ziehen sich zurück und fangen mit den Hausaufgaben an, die anderen eilen in die Turnhalle, wo sie sich austoben dürfen. Dabei bleibt die Türe der Küche offen, damit die Chefin das Treiben im Blick hat. Bevor die Schulglocke zum Nachmittagsunterricht läutet, müssen auch die Kinder vom Mittagstisch noch für eine halbe Stunde raus zum Spielen, damit sie vor den nachfolgenden Lektionen noch etwas Frischluft schnappen können. An diesem Nachmittag steht für die Fünftklässler immerhin Französisch auf dem Stundenplan, da kann ein kühler Kopf nicht schaden ...

MARIANNE BURGENER


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