Bauer aus Leidenschaft, nicht wegen des Lohns
27.02.2024 HeurütiIn einem Artikel der «Sonntags-Zeitung» kritisierte Milchbauer Jörg Büchi die tiefen Einkommen in der Landwirtschaft. Seine Aussage, dass er für einen Stundenlohn von 8.30 Franken arbeite, sorgte für teilweise geharnischte Reaktionen in den Medien. Der Autor ...
In einem Artikel der «Sonntags-Zeitung» kritisierte Milchbauer Jörg Büchi die tiefen Einkommen in der Landwirtschaft. Seine Aussage, dass er für einen Stundenlohn von 8.30 Franken arbeite, sorgte für teilweise geharnischte Reaktionen in den Medien. Der Autor traf sich mit ihm und fragte, wie er damit umgehe.
Wenn ein Interviewtermin mit einer Person bevorsteht, mit der man nur kurz am Telefon sprach und von der man zuvor nie etwas hörte, bereitet man sich im Vorfeld des Treffens natürlich besonders intensiv vor. Kaum war für die Recherche der Begriff «Jörg Büchi» bei Google eingegeben, erschien in Dutzenden Suchvorschlägen die Schlagzeile: «Ich arbeite für 8.30 Franken pro Stunde». Was für ein «Jammeri», war der erste Gedanke, zugegebenermassen, ohne den ganzen Artikel vorher gelesen zu haben – und auch nicht ganz frei von Vorurteilen. Stellt sich die Frage, auf welcher Basis dieser Jungbauer seinen bescheidenen Stundenlohn errechnete und wie er davon leben kann.
30 Hektaren und ebenso viele Kühe
Kurz nach dem «Schwümbi» am Ortsausgang Elggs zweigt ein Strässchen rechts ab. Es führt hinauf zur Burgruine Schauenberg. Auf etwa halber Strecke gelangt man zum beschaulichen Weiler Heurüti und zum Milchbauernhof des jungen Jörg Büchi.
Nach dem Abschluss als Landwirt EFZ erfüllte der heute 28-Jährige seine militärischen Pflichten als Durchdiener. Während er berufsbegleitend die Berufsmittelschule besuchte, arbeitete er auf dem elterlichen Betrieb. Es folgte ein Studium an der Fachhochschule Bern, das er als BSC-Agrarökonom erfolgreich abschloss. 2021 übernahm er den 30 Hektaren (hauptsächlich Futteranbau) umfassenden Milchbauernhof mit 30 Kühen und 8,5 Hektaren Wald von seinen Eltern.
Sein Vater steht ihm heute unterstützend zur Seite, vor allem wenn der Junior auswärts in Teilzeit tätig ist. In einem Treuhandbüro in Flawil betreut er hauptsächlich Landwirtschaftskunden. Zusammen mit seiner Freundin Andrea, Hund und Katze bewohnt er die untere Etage des Elternhauses. In seiner Freizeit engagiert er sich als Präsident des Turnvereins Schlatt und er ist Mitglied in der Feuerwehr sowie im Schützenverein Elgg.
«Bist du nicht der Vater von Leonardo?»
Kaum das Auto in der Hofeinfahrt parkiert, empfängt schon ein hochgewachsener, schlanker junger Mann mit breitem Lachen im Gesicht den Autor. So sympathisch war die Vorstellung vom «Jammeribauer» nicht, obwohl er von den netten Internetbildern her sofort wiedererkennbar war. Der 28-jährige Betriebsleiter und Inhaber des Milchbauernhofs Heurüti grüsst mit Handschlag: «Ich bin Jörg. Bis du nicht der Vater von Leonardo?» Das stimmt tatsächlich. Vor Jahren wohnte der Autor in Elgg. «Dein Sohn war damals bei der JUSO und ich Mitglied bei der JSVP. Wegen uns beiden war der Politikunterricht in der 3. Sek immer spannend. Wir haben mit unseren konträren Positionen die Schulstunden fast allein bestritten. Trotzdem verstanden wir uns sehr gut.» Autor und Büchi dislozieren in den geräumigen Stall, in dem er bis vor Kurzem mit der Fütterung seiner Lieblinge, den 30 Milchkühen, beschäftigt war.
Das ist definitiv kein «Jammeri»
Jörg Büchi spricht schnell, sehr schnell sogar. Trotzdem merkt man sofort, dass er genau überlegt, bevor er etwas ausspricht, und dass er sich dank seines Studiums in der Landwirtschaft sehr gut auskennt. Der intelligente Jungbauer ist definitiv kein «Jammeri». Mit einleuchtenden Erklärungen begründet er seine Stundenlohnaussage.
Zurück zur privaten Geschichte: Leonardo wohnt seit Jahren nicht mehr in Elgg und ist schon lange nicht mehr politisch engagiert. In Kontakt stehen die beiden ehemaligen Schulfreunde, gemäss Jörg Büchi, aber bis heute über die sozialen Medien. «Selbst bin ich auch nicht mehr in einer Partei», erzählt er weiter, «obwohl: Seit der Stundenlohnartikel erschienen ist, haben mich viele Leute ermuntert – sogar solche, die scharfe Kritik äusserten – in die Politik einzusteigen. Selbstverständlich mache ich mir auch Gedanken in diese Richtung. Momentan ist für mich aber nicht der richtige Zeitpunkt. Wenn dieser aber da ist, werde ich in die SVP eintreten. Der Volkspartei stehe ich beruflich und familiär klar am nächsten.» (Redaktion: Mutter Ruth Büchi-Vögeli ist SVP-Kantonsrätin und Gemeindepräsidentin von Elgg.)
Detaillierter Onlinekommentar
Auf sein momentanes Befinden nach den teilweise sehr kritischen Reaktionen auf den Artikel in der «Sonntags-Zeitung» angesprochen, sagt Jörg Büchi: «Mir gehts sehr gut, denn ich bin nicht Bauer wegen des Lohns, sondern aus Leidenschaft. In meinen Zweitberuf könnte ich viel mehr verdienen. Als Influencer (Redaktion: gegen 9000 Follower), muss ich immer mal wieder einstecken können. An emotionale Reaktionen habe ich mich gewöhnt. Sie gehören zur Diskussionskultur, besonders in den sozialen Medien. Solange die Dialoge respektvoll und anständig verlaufen, ist das absolut okay. Ich finde es wichtig, dass man den Mut hat, Missstände klar und deutlich anzusprechen. Das kann ich allen nur empfehlen. Dass aber meine Stundenlohngeschichte derart hohe Wellen wirft, hat mich zugegebenermassen schon etwas überrascht. Weniger die Wellen aus städtischen, dafür umso mehr die Kritik aus bäuerlichen Kreisen. Mir scheint, da macht sich so mancher Landwirt, was sein Einkommen angelangt, etwas vor. Man kann es drehen und wenden, wie man will, das Ergebnis bleibt immer gleich: Die Löhne in der Landwirtschaft sind zu tief beziehungsweise die Preise, welche die Grossverteiler zahlen. Die Marge zwischen Produzent und Konsument ist zu hoch und nicht logisch begründbar. Da muss sich dringend etwas ändern.»
Weiter führt der Jungbauer aus: «Das Thema ist aber zu komplex, als dass es in einem kurzen Artikel umfassend abgehandelt und erklärt werden könnte. Ich habe deshalb auf meiner Internetseite einen detailliert erklärenden Kommentar aufgeschaltet. Empfehlung an meine Kritiker: Bitte zuerst lesen und dann erst in die Tasten greifen und mich angreifen.»
PETER MESMER
Kommentar unter: www.milchbauernhof.ch

