Balsam für die Seele

  01.11.2022 Aadorf

Mit ihren musikalischen und kabarettistischen Fähigkeiten begeisterte Totschna letzten Freitag das Publikum im Rotfarbkeller und zeigte einmal mehr, dass Musik keine Grenzen kennt, die Völker und die Menschen verschiedener Herkunft verbindet. Balsam für die Seele in der heutigen struben Zeit.

Totschna, eine schweizerischrussische Band, gastierte am Freitagabend im Rotfarbkeller. Sie besangen die Liebe in verschiedenen Variationen und Sprachen. Mit einem etwas wehmütigen russischen Stück begann Lukas Heuss auf seiner Klarinette, wurde dann von seinen Bandmitglieder unterstützt und es wurde fröhlicher, endete aber wieder etwas ruhiger. Eine wunderbare Einstimmung auf das folgende Programm.
Sibylle Aeberli und Alexander Ionov begrüssten das Publikum auf Deutsch und Russisch und meinten nach einer kleinen Anekdote über die Liebe, diese sei facettenreich und habe verschiedene Gesichter. Liebe ist romantisch, erotisch, freundschaftlich. Es gibt sie zum eigenen Land, aber auch zu einem Gegenstand, Fetisch oder der göttlichen Liebe. Sehr amüsant erzählte Aeberli die irrungen und Wirrungen der Liebe. Sie meinte, deshalb sei sie heute überzeugte Singlefrau und sorgte dabei für herzliche Lacher. Mit dem Lied «Paarweise», einem Mundartblues besang Aeberli das Drama in einer Zweierbeziehung, welches vom Liebesglück zum -leid wird. In Freiburg spielte sie am TheaTer «Das kalte Herz». Dabei suchten die Darsteller nach Liedern über Schönes und Brutales, die Liebe, das Liebesglück oder -leid, Eifersucht, Mord und Tod. Gebannt lauschte das Publikum diesen Stücken, vorgetragen mit den facettenreichen Stimmen der Musiker, begleitet auf ihren verschiedenen Instrumenten.

Traurig und wehmütig in die Pause

Heuss erzählte die Geschichte von Alexander Wertinsky, welcher als Sanitäter im Ersten Weltkrieg viele wirren Zeiten erlebt hatte. Er trat als Pierrot oder im Frack und Zylinder auf und trug seine selbstverfassten Lieder vor. Eines davon handelte vom Papagei Flaubert (je t’aime – moi non plus), welches Ionov auf Russisch vortrug und Aeberli ins Deutsche übersetzte. Ein russisches, traurig-wehmütiges Lied, vorgestellt von Oleg Lipps folgte und passend danach die «Abendglocken» auch auf Russisch. Dann in Deutsch «Mir gönd id Schwämm», was wiederum zeigte, dass viele lieder mit gleicher Melodie aber unterschiedlichen Texten, in verschiedenen Sprachregionen beheimatet sind. Romantisch, aber auch temperamentvoll, wurde der erste Teil des Konzerts beendet.
Nach einer kurzen Pause folgten noch viele schöne Geschichten und Lieder über die Liebe und ihre Abgründe. Mit dem russischen Walzer «Herbsttraum», sehr gefühlvoll gespielt, bescherten die Musiker dem Publikum Hühnerhaut. Aus Sicht der Männer erzählte Aeberli teilweise sehr burschikos und lustig über Exbeziehungen. Sie sang und tanzte nicht nur, lebte ihre Lieder und Geschichten vollumfänglich. Die Sängerin zeigte auch ihr kabarettistisches Talent, scheute sich nicht durch die Finger zu pfeifen und riss das Publikum mit ihrem Temperament mit.
Mit «Sascha im muotathal» wurde es volkstümlich und Heuss meinte, Volksmusik kenne keine Grenzen, was auch das folgende irische Lied «Old Man over the Sea» zeigte, welches Aeberli nicht nur sang, sondern auch tänzerisch begleitete. Sehr temperamentvoll wurde das nächste Stück, welches die Zuhörenden mit Klatschen begleiteten. Die Geschichten zwischendurch wurden sehr gefühlvoll und leidenschaftlich von den Musikern begleitet. Jeder ein wahrer Meister auf seinem Instrument. Ein Akkordeon sehr leise zu spielen, ist nicht zu unterschätzen, was Oleg Lipps virtuos mit voller Hingabe umsetzte – und meistens mit geschlossenen Augen.

«Buurebüebli»: russisches oder schweizerisches Lied?

Die russische und schweizerische Volksmusik wurde als Ballade oder mit Blues oder Jazz kombiniert. Dabei überzeugten die Musiker mit ihrem Talent und meisterhaften Können. Mit ihren Geschichten und Episoden, meistens aus dem Leben gegriffen, seien sie erzählt, gesungen oder instrumental vorgetragen, zogen sie das Publikum in ihren Bann.
Mit der Ansage vom «Buurebüebli» wurde eine turbulente Diskussion eröffnet, ob es ein russisches oder schweizerisches Lied sei. Nach und nach beruhigten sich die Gemüter und das Stück wurde auf Schweizer Mundart vorgetragen, wobei das Publikum begeistert mitsang. Die russische Version folgte sogleich, wurde dann verjazzt, etwas verulkt und zum Schluss als Gemisch in Russisch und Schweizer Dialekt gesungen. Das Publikum quittierte das mit Lachsalven und einem nicht enden wollenden Applaus.
Als Zugabe wurden die Zuhörerinnen und Zuhörer mit dem wunderschönen Lied aus Odessa, «Am schwarzen Meer», belohnt. Ein wundervoller, spezieller und länderübergreifender Abend aus einem Gemisch von grossen Gefühlen, Liebesglück aber auch -leid, etwas schnulzigen, romantischen und auch bitterbösen Liedern, gesungen und begleitet von bravourösen Musikern, die mit viel Leidenschaft und Spielfreude überzeugten.

IRÈNE BASLER


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