Arbeit schlägt Talent

  16.08.2022 Elgg

Dieser Spruch hängt im Hause Schefer und animierte Siv dazu, dort hinzukommen, wo sie nun ist. Die 17-Jährige steht nämlich vor ihrer ersten Saison mit dem A-Kader des FC Zürich. Begonnen hatte alles beim FC Elgg unter den Fittichen ihres Vaters Jürg, und wo es enden soll, weiss sie ganz genau.

Siv Schefer kommt aus einer fussballbegeisterten Familie. Ihr Vater Jürg spielte 1. Liga beim SC Veltheim und Bruder Leif aktuell in der U18-Mannschaft des FC Winterthur. Seine und Sivs noch junge Fussballlaufbahn begann beim FC Elgg. Beide spielten bei den Junioren zusammen im Team ihres Vaters. Dieser Beitrag konzentriert sich aber auf Siv, deren bisher beeindruckende, noch junge Karriere bis in die erste Mannschaft des FC Zürich und U19-Nationalmannschaft führte. Das sollen aber nicht die letzten Stationen der jungen Frau sein. Sie weiss was sie will und hat klare Ziele.
Sowohl beim FC Elgg als auch danach in Wiesendangen und Winterthur kickte Siv in Bubenmannschaften. Sie tat dies gerne, wie sie sagt: «Es war einfach eine ganz andere Stimmung. Ich half ab und zu in einem Frauenteam aus und bemerkte, dass sie das eher nur zum Spass machen. Da ich früher schon ehrgeizig war, gefiel es mir bei den Buben besser. Und da ich zusammen mit dem Bruder bei meinem Vater spielen konnte, war das perfekt für mich.» Dass sich der FC Elgg zwischenzeitlich im Frauenfussball positiv entwickelte, begrüsst auch sie. Je mehr Mädchen in diesen Sport einsteigen, desto grösser werde auch die Breite weiter oben. Das bringe den Frauenfussball weiter.

Eine zweigleisige Schiene in Sachen Ausbildung

Nach den ersten drei Stationen wechselte Siv Schefer zum FC Zürich, spielte dort die letzten zwei Saisons in der U21. Nun stieg die erst 17-Jährige bereits in die erste Mannschaft auf und absolviert die neue Saison in der höchsten Spielklasse, der Women’s Super League. «Ich profitierte davon, lange bei den Buben mitzuspielen. Zudem bin ich körperlich robust und kann mich durchsetzen», zeigt sie sich selbstbewusst. Weitergebracht hat sie auch der zweijährige Aufenthalt im Ausbildungszentrum Biel des Schweizerischen Fussballverbands und das Training mit der Nationalmannschaft. «Das war wichtig für ihre Entwicklung», sagt Jürg Schefer, «konnte sie doch parallel zum Trainingsbetrieb ein Sport- und Kulturstudium absolvieren.» Nach dem Ausbildungszentrum kehrte Siv wieder ins Sportgymnasium Rämibühl in Zürich zurück.
Eine strenge Doppelausbildung, sagt auch ihr Vater: «Das Gymi geht ein Jahr länger. Dafür hat man Zeit für Training, Spiele und Trainingslager. Gerade mit der Nationalmannschaft ist Siv viel weg. Durch diese Ausbildungsmöglichkeit hat sie genügend Zeit, um sich wieder zu regenerieren. Das verlangt aber viele Entbehrungen: fast jeden Abend Training, erst um 21.30 Uhr nach Hause kommen, nebenbei für die Schule lernen, am Morgen danach, wenn einem die Beine vielleicht noch etwas schmerzen, wieder ans Morgentraining …» Siv wollte das aber und die Krönung sei sicher, dass sie nun als 17-Jährige fest im A-Kader des FC Zürich dabei ist.

Beidfüssigkeit als grosse Stärke

Im U21-Kader hatte Siv Schefer einen Stammplatz, spielte letztes Jahr jedes Spiel über 90 Minuten. In der ersten Mannschaft werde es sich noch zeigen, meint sie. Vermutlich werde es zu Beginn nur Teileinsätze geben. Sie müsse sich zuerst ins Team hinein kämpfen, gegen namhafte Spielerinnen – auch aus dem Ausland – bewähren. Der Weg zu einer erfolgreichen Fussballkarriere stimmt aber und sie hat einen möglicherweise entscheidenden Vorteil: Die Aussenverteidigerin spielt beidfüssig, wodurch man sie auf beiden Seiten einsetzen kann. Des Weiteren sei sie zweikampfstark, vor allem im defensiven Bereich. Und im letzten Jahr hätte sie auch offensiv zulegen können.
Als ausgebildeter Trainer, der bis Stufe U14 beim FC Winterthur trainierte, weiss Jürg Schefer worauf es ankommt. Er sagt: «Ich hatte noch nie einen Spieler, der links oder rechts nicht zumindest ein kleines Defizit hatte. Bei Siv sehe ich das effektiv nicht – links oder rechts macht bei ihr keinen Unterschied, was doch sehr aussergewöhnlich ist.» Wenn sie ihren Weg konsequent so weitergeht, könnte das tatsächlich zum ganz grossen Vorteil werden und weit reichen.

Eines der Ziele: vom Fussball leben können

Die finanzielle Diskrepanz im Frauen- und Männerfussball stört auch die 17-Jährige. «Fabienne Humm beispielsweise, Captain der ersten Mannschaft beim FC Zürich, eine wirklich grossartige Fussballerin, kann nicht ausschliesslich vom Fussball leben. Ich finde zudem, dass im Männerfussball zu viel Geld investiert wird, was ihn deshalb auch etwas kaputt macht. Trotzdem denke ich, dass auch Profis im Frauenfussball mehr verdienen müssten, sodass es reicht, sich voll auf den Fussball konzentrieren zu können», sagt Siv Schefer, die als eine der talentiertesten Fussballerinnen des Landes gilt. Sie will eines Tages vom Fussball leben können, was aber in der Schweiz schwierig sei. Deshalb möchte das Talent möglichst bald ins Ausland wechseln, aber die Schule noch fertig machen. Zu ihren Zielen sagt sie: «Da ich ein riesiger FC-Bayern-Fan bin, wäre es toll, einmal in München spielen zu können. Ein weiteres Ziel ist die A-Nati und mit ihr an einer Europa- und Weltmeisterschaft dabei zu sein.»
Die Europameisterschaft 2025 findet eventuell in der Schweiz statt. Ein rEalistisches Ziel in der kurzen zeit? Siv sagt: «Ich arbeite hart, will mich weiterentwickeln und mit guten Leistungen empfehlen – alles Weitere sehen wir dann.» Was meint ihr Vater dazu? «Sie spielt jetzt U19, was bei den Frauen die höchste Nachwuchsabteilung darstellt. Die nächste Stufe wäre also die A-Nati. Sofern sie auf dem RadaR der Trainer bleibt, wäre dieser Schritt nicht unmöglich.» Man darf gespannt sein.

Eine Hommage an den Frauenfussball

Für Jürg Schefer ist klar, dass der Frauenfussball zu Unrecht immer noch belächelt wird. Beim Verfolgen der Spiele seiner Kinder sehe er manchmal innerhalb vier Stunden je eines der U18-Männer und U21-Frauen. «Bei den Jungs des FC Winterthur geht es schon mächtig zur Sache. Wenn ich danach aber den Frauen des FC Zürich zuschaue, muss ich sagen, ist deren Fussball technisch zeitweise sogar besser.» Der Frauenfussball sei hochstehend, ja gar eine Augenweide. Was man nicht vergleichen könne sei das Physische und Läuferische. Da könne eine Frau natürlich nicht mit den Männern mithalten. Wenn man sich aber von diesem Gedanken löse, müsse man sich eingestehen, dass der Frauenfussball mehr Ansehen verdient hätte.
Dafür braucht es aber auch mehr Mädels, die diesen Sport ausüben. Deshalb Sivs Appell: «Jedes Mädchen, das Fussball spielen will, soll an sich glauben. Und wichtig – dieser Spruch wurde mir mit auf den Weg gegeben: Arbeit schlägt Talent! Auf dem Niveau, wo ich nun spiele, hat jede Frau Talent. Um aber den letzten wichtigen Schritt machen zu können, dafür muss man hart arbeiten.»

RENÉ FISCHER


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