«Anfangs war seine Klappe grösser als seine Leistungen»
14.05.2024 ElggMit Nationaltrainer Oliver Lang und Captain Ueli Rebsamen traten im letzten Sommer zwei prägende Figuren des Schweizer Männerfaustballs aus dem Nationalteam zurück. Zeit für einen Rückblick.
In den vergangenen zwölf Jahren hat das Schweizer ...
Mit Nationaltrainer Oliver Lang und Captain Ueli Rebsamen traten im letzten Sommer zwei prägende Figuren des Schweizer Männerfaustballs aus dem Nationalteam zurück. Zeit für einen Rückblick.
In den vergangenen zwölf Jahren hat das Schweizer Nationalteam nicht weniger als zehn Medaillen an Grossanlässen gewonnen. Das ist unbestritten die bislang erfolgreichste Ära im Schweizer Männerfaustball. Einen grossen Anteil an diesem Erfolg hatten Trainer Oliver Lang und der langjährige Captain Ueli Rebsamen – zwei Vollblut-Faustballer, die dem Erfolg alles unterordnen und sich deshalb auch vor klaren Aussagen nicht scheuen. Das zeigt sich auch im folgenden Interview:
Wisst ihr eigentlich noch, wann und wo ihr euch zum ersten Mal begegnet seid?
Oliver: Wir sind im selben Quartier in Elgg aufgewachsen, aber der erste bewusste Berührungspunkt war, als wir in Elgg in derselben Mannschaft gespielt haben.
Ueli: Stimmt, da habe ich dich auch das erste Mal bewusst wahrgenommen. Da war ich circa 15 Jahre alt.
Was waren eure ersten Eindrücke vom jeweils anderen?
Ueli: Es hat sich schnell rumgesprochen, dass da einer zurückkommt, der viel redet und Sprüche klopft, aber auch ganz ok Faustball spielt (lacht). Genauso wars dann auch.
Oliver: Ich habe ziemlich schnell gesehen, dass er ein Riesentalent ist. Wobei: Am Anfang war seine Klappe grösser als seine Leistungen. Aber ich mag solche Spieler. Ich hätte aber damals nie gedacht, dass uns dereinst so viel verbinden wird. Schliesslich stand ich 2007 kurz vor meinem Karrierenende.
Vier Jahre später kehrte Oli als Natitrainer zurück – was war deine Reaktion darauf?
Ueli: Ganz ehrlich? Mein erster Gedanke war: Ausgerechnet der, der bei uns im Verein immer nur dumme Sprüche geklopft hat, wird Natitrainer. Ich wusste damals nicht, dass Oli früher in der Nati war und mehrere grosse Turniere gespielt hat. Meine anfängliche Skepsis hat sich schnell gelegt. Wir waren von Anfang an auf derselben Wellenlänge. Es gab für uns beide nur den Faustballsport – das hat gepasst.
Du sagst, «für uns beide gab es nur den Faustball» – ist es das, was euch verbindet?
Oliver: Auf jeden Fall. Niemand sonst ist so ehrgeizig wie wir beide. Wir wollen jedes Spiel und jedes Trainingsmatch gewinnen – aber wir sind sicher beide keine Trainingsweltmeister. Wenn es nicht um Punkte ging, mussten wir beide immer ein paar Mal öfters die Schuhe binden als nötig (beide lachen). Aber es stimmt: Für uns beide stand Faustball immer an erster Stelle. Ueli war auch der einzige Spieler, der während zwölf Jahren kein einziges Natitraining und keinen einzigen Kick-off verpasst hat.
Ihr habt insgesamt zwölf Saisons im Nationalteam miteinander bestritten – wie hat sich euer Verhältnis über die Jahre entwickelt?
Ueli: Wir haben von Anfang an mit offenen Karten gespielt und uns immer gesagt, wenn uns etwas nicht passt. Da gab es auch immer wieder Meinungsverschiedenheiten. Aber letztlich hatten wir immer dasselbe Ziel: gewinnen.
Oliver: Unser Verhältnis hat sich aber schon verändert, was vor allem an Uelis Entwicklung lag. Am Anfang war er einfach ein Leader auf dem Feld, der gut Faustball gespielt hat. Am Ende war er auch ein Führungsspieler neben dem Feld, wurde Captain und hat im Staff mitdiskutiert und mitgedacht. Das war ein enormer Reifungsprozess von ihm.
Ihr beide wart in der erfolgreichsten Ära des Schweizer Männerfaustballs aktiv und habt diese massgeblich mitgeprägt. Was bedeutet euch das?
Oliver: Das macht mich schon stolz. Vor allem, weil ich als Spieler in einer absoluten «Loser-Zeit» aktiv war und an sieben Grossanlässen nur maximal EM-Bronze gewann. Ich sagte damals schon: Irgendwann werde ich Natitrainer und dann mache ich alles anders als die Trainer vor mir. Ich wollte das «Vereinsfeeling» auch in die Nati reinbringen. Es muss auch in der Nati Platz haben für das eine oder andere Spässchen und ein paar dumme Sprüche, auch wenn man auf dem Platz natürlich alles gibt und seriös arbeitet. Es macht mich stolz, dass ich diese Ankündigung von damals in die Tat umsetzen konnte.
Ueli: Wenn man die Resultate anschaut, macht einen das schon stolz. Es ist toll zu sehen, dass es sich gelohnt hat, so extrem viel zu investieren.
Was war euer sportliches Highlight?
Oliver: Der EM-Titel 2012 ist sicher der Höhepunkt. Mir persönlich bedeuten aber auch der Vize-EM-Titel 2016 und der Vize-World-Games-Titel 2017 enorm viel. Da haben wir es nach einem grossen Umbruch in der Mannschaft geschafft, weiterhin ganz vorne mitzuspielen.
Ueli: Dem kann ich mich anschliessen. Dass wir es mit dem ganzen Team immer wieder geschafft haben, solche Erfolge zu feiern, bedeutet mir viel.
Welches war der schwierigste Moment?
Oliver: Für mich ganz klar die Heim-WM in Winterthur. Das war für mich von A bis Z die schlimmste WM aus sportlicher Sicht. Im gesamten Jahr 2019 hat nichts zusammengepasst – dazu zählt natürlich auch die Knieverletzung von Ueli und die damit verbundene Unsicherheit, ob und in welcher Rolle er an der WM dabei sein kann. Diese WM war für mich mein schlimmster Moment als Natitrainer.
Ueli: Aus sportlicher Sicht ist es für mich auch ganz klar die WM in Winterthur. Ich wusste nicht, ob ich dabei sein und dem Team helfen kann. Dann war ich dabei, aber wusste auch, dass ich nicht in Topform bin. Das war enorm schwierig. Was mich aber während meiner gesamten Natizeit am meisten gestört hat, war, dass immer wieder Sachen über mich hinter meinem Rücken erzählt wurde. Das hat mich am meisten getroffen. Ich habe absolut kein Problem damit, wenn man mich kritisiert – aber dann bitte direkt.
Du sprichst die Kritik an – ihr beide wurdet immer wieder kritisiert trotz den grossen Erfolgen. Das hing oft damit zusammen, dass ihr beide sehr emotionale Typen seid, die durchaus auch mal auf die eine oder andere Provokation zurückgreifen. Das hat nicht allen gefallen. Was löste diese Kritik bei euch aus?
Oliver: Mich hat das mehr motiviert. Ich sage allen dasselbe: Wir hätten schon weniger aggressiv auftreten können, aber dann hätten wir nicht so viele Spiele gewonnen.
Ueli: Gestört hat es auch mich nicht. Ich hätte mir aber gewünscht, es hätte noch zwei, drei andere Aggressivleader im Team gegeben. Dann hätte ich diese Aufgabe auf dem Spielfeld nicht allein übernehmen müssen. Was mich mehr gestört hat, war, dass diese Kritik oftmals von Leuten kam, die selbst nie in derselben Situation waren. Die wissen nicht, was es braucht, um ein grosses Spiel zu gewinnen.
Du bist definitiv ein Spieler, der von den Emotionen lebt und meist immer noch besser spielt, je hitziger es wird. Inwiefern gehören die Emotionen für dich zum Spiel?
Ueli: Die Emotionen sind enorm wichtig. Ich möchte hier aber auch betonen: Ich bin kein einziges Mal in meiner Karriere in ein Spiel gestartet, mit dem Ziel, den Gegner um jeden Preis zu provozieren. Ich habe die Emotionen und die Provokationen immer so einsetzen wollen, dass es dem Team geholfen hat.
Oftmals habe ich mich bewusst zur Zielscheibe des Gegners gemacht, damit sich der Rest des Teams aufs Faustballspielen konzentrieren konnte. Denn mich haben diese Spielchen nicht gestört. Aber natürlich: Es hat nicht immer zu 100 Prozent funktioniert.
Wie schwierig wars für dich, einen so emotionalen und impulsiven Spieler wie Ueli zu führen?
Oliver: Ich mag solche Spieler. Solche, die nichts sagen, sind für mich als Trainer viel schwieriger zu greifen und führen. Aber klar: Wenn ich fünf Uelis im Team gehabt hätte, hätte das nicht funktioniert (lacht).
Das Kapitel Nationalteam ist für euch zu Ende – habt ihr euren Rücktritt eigentlich abgesprochen?
Ueli: Wir ticken beide ziemlich ähnlich. Als wir an der WM in Mannheim nach dem Bronzespiel auf dem Feld standen, hat es sich richtig angefühlt, hier den Schlusspunkt zu setzen. Oli hat das dann gleich kommuniziert, ich brauchte noch ein paar Tage. Wirklich abgesprochen, haben wir uns aber nicht.
Zum Abschluss möchte ich von euch noch einen Resultat-Tipp für die Heim-EM der Schweiz in Frauenfeld – wie schlägt sich die Schweiz?
Oliver: Ich hoffe von ganzem Herzen, dass die Schweiz den Titel holt. Das würde mich unglaublich freuen. Ich glaube aber, dass es sehr schwierig werden wird. Das hat überhaupt nichts mit dem Rücktritt von mir und Ueli zu tun, sondern damit, dass es leider immer weniger Spieler gibt, die bereit sind, alles dem Faustball unterzuordnen. Aber das braucht es für den Erfolg. Mein Tipp daher: Österreich wird Europameister.
Ueli: Auch ich wünsche dem Team jeden erdenklichen Erfolg. Genau wie Oli bin ich aber überzeugt, dass im Schweizer Faustball ganz generell einige Spieler und Spielerinnen ihre Einstellung ändern müssen, um erfolgreich zu sein. Ich werde an der EM aber natürlich mitfiebern und habe auch einen Job im erweiterten OK übernommen, um das Turnier zu unterstützen.
TEXT UND INTERVIEW:
FABIO BARANZINI, SWISS FAUSTBALL