Abschied hat viele Gesichter
13.05.2025 ElggAm letzten Dienstagabend im April fand im Müli-Bistro die erste Veranstaltung der neuen Gesprächsreihe «Blickwechsel» statt. An drei Anlässen soll sich hier dem Abschied auf unterschiedliche Weise genähert werden.
«Wenn Eltern alt ...
Am letzten Dienstagabend im April fand im Müli-Bistro die erste Veranstaltung der neuen Gesprächsreihe «Blickwechsel» statt. An drei Anlässen soll sich hier dem Abschied auf unterschiedliche Weise genähert werden.
«Wenn Eltern alt werden» – was dann? Um diese Fragestellung kreiste der erste «Blickwechsel»-Abend in der Müli Elgg, der 14 Personen anzog. Darunter Eltern mit ihren erwachsenen Kindern, aber auch jüngere wie ältere Einzelpersonen. Sie alle waren gekommen, um ihre Gedanken darüber zu teilen, wie es für sie wäre, wenn sich die Kinder plötzlich um die Eltern kümmern müssen. Dabei lag für die einen dieser Umstand noch in der Ferne, andere wiederum befanden sich schon in einer solchen, unterstützenden Situation. Auch die Kommunikation rund um das Thema Alter und Tod innerhalb der Familien war dabei recht unterschiedlich – von offen darüber sprechen bis stillschweigen, von darauf vorbereitet sein, bis zur Verdrängung. Es gab auch Wortmeldungen, aus denen klar wurde, dass gar nicht mehr miteinander geredet werden kann, weil ein Elternteil gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage oder sogar schon verstorben ist. Auch die Bindung, die man zu den Eltern hatte oder hat, spielte eine starke Rolle.
Intimität zulassen
Die Psychologin Nina Kuhn, die sich neu im «rundum.müli»-Team engagiert, führte zusammen mit der Pfarrerin Johanna Breidenbach von der Reformierten Kirche Eulachtal durch den Abend. Das Ziel dieser gemeinsam aufgegleisten Gesprächsreihe sei die Vernetzung, besonders bei Themen, zu denen beispielsweise auch die Kirche viel beitragen kann, erklärte Nina Kuhn. Um das Eis bei diesem schwierigen Thema zu brechen, las Johanna Breidenbach anfangs aus dem Buch «Der alte König in seinem Exil» von Arno Geiger vor. Der Autor erzählt darin auf berührend-ehrliche Weise von seiner persönlichen Auseinandersetzung mit der Alzheimer-Erkrankung seines Vaters – von absurden über traurige, bis hin zu dankbaren Momenten, weil die Krankheit nochmals eine andere Art von Beziehung zulässt. «Abschied, Endlichkeit und Trauer sind sicher vordergründig, wenn es um das voranschreitende Altern geht – aber das kann auch etwas Befreiendes für beide Seiten haben und eine Intimität zulassen, die vorher nicht möglich war», meinte Johanna Breidenbach.
Verlust der Unabhängigkeit
Im Anschluss daran ermunterte die evangelisch-reformierte Pfarrerin die Gruppe, doch einmal aufzustehen. Auf dem Boden des Müli-Bistros waren derweil verschiedenfarbige Zettel ausgelegt, die beschriftet waren mit: «Scham» – weil der Vater vielleicht nicht mehr so gross und stark ist wie früher, sondern nun zerbrechlich wirkt, «Ungewissheit», was auf die Eltern und Kinder zukommt, genauso wie die «Angst vor dem Tod». Es fanden sich aber auch Blätter dort, die mit «Versöhnung» oder «Zärtlichkeit» beschriftet waren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten nun in sich hineinhören, ihrer momentanen Stimmung nachgehen und sich dann zu den Zetteln stellen, die diesem Gefühl am ehesten entsprechen.
Über die Erfahrungen, die sie dabei machten, wurde anschliessend gesprochen. Eine Tochter, die mit ihrer Mutter zusammen am Anlass teilnahm, fand es «schön, dass man sich auch dorthin begeben konnte, wo man sich wünscht einmal zu stehen, wenn es soweit kommen sollte» – nämlich bei «Neue Formen der Begegnung». Andere standen beim «Abschied» und der «Trauer», viele aber auch bei der «Selbstbestimmtheit». Gerade über dieses Thema wurde rege diskutiert. Wie geht es den Eltern damit, im Alter immer mehr von ihrer Unabhängigkeit aufgeben zu müssen? «Der Rollenwechsel ist schwierig, nicht nur für Kinder, die plötzlich die Elternrolle übernehmen, sondern auch für Eltern, diese Hilfe auch anzunehmen», meinte Nina Kuhn.
Zwischen Versöhnung und Wut
Wo liegen dabei die eigenen Grenzen der Kinder – inwieweit sind diese verpflichtet, sich um ihre pflegebedürftigen Eltern zu kümmern? Wie können sie unterstützt werden und sich Hilfe suchen, um sich nicht ganz aufzureiben in dieser Verantwortung? Wichtige Fragen, die an dem Gesprächsabend viel Raum für verschiedene Antworten zuliessen. «Diese Erwartungshaltung, dass man den Eltern etwas schulde, müsse man nicht erfüllen», sagte Johanna Breidenbach. Jemand in der Runde unterstrich dies mit den Worten: «Ich möchte selbst entscheiden, ob ich einem Menschen etwas schuldig sein will. Wir alle werden alt und sind dieser Entwicklung nicht wehrlos ausgeliefert». Eine andere Person meinte, dass sie «gerne der Mutter etwas zurückgeben möchte, und aufgrund dessen nun sogar eine Art Versöhnung stattfinde».
Eine jüngere Frau sagte dazu, dass sie als Einzelkind nicht auf die geteilte Verantwortung unter Geschwistern bauen könne und ihr das dementsprechend Angst mache. Dieser Aussage hielt eine etwas ältere Frau entgegen, dass sie sich mit ihrer Schwester über die Pflege ihrer Mutter zerstritten habe und darüber frustriert und wütend sei. Auch diese Gefühle fanden ihren Platz in der kleinen, intimen Runde, in der alle sehr respektvoll miteinander umgingen und auch noch über den Anlass hinaus miteinander ins Gespräch kamen.
Der nächste «Blickwechsel» findet am 3. Juli von 9.30 Uhr bis 11 Uhr statt zum Thema «Pensioniert: Ein Jahr danach». Weitere Informationen auf: www.rundummüli-elgg.ch
SARAH STUTTE
Neuer Pick-up-Point Müli
Im Sinne der Vernetzung spannen der Buecherchorb Aadorf und der Verein «rundum.müli» zusammen und bieten ab sofort im Müli-Bistro einen neuen Pick-up-Point an. Kundinnen und Kunden des Buecherchorbs können ihre Buch-Bestellungen während den Öffnungszeiten des Bistros (Mo/Di/Do von 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr) kostenlos abholen. Der Buecherchorb bietet bereits jetzt einen kostenlosen Kurierservice in Aadorf, Elgg und Hagenbuch an. (sas)