Herbstzeiıt ıst Lesezeiıt
30.10.2025 RegionHerbstzeit ist Lesezeit. Ob im kuscheligen Sessel oder auf dem Sofa – der Herbst bietet die perfekte Gelegenheit, in Geschichten einzutauchen. Auch wir in der Redaktion greifen ab und zu zum Buch. Eines davon stellen wir Ihnen hier vor. Und Sie? Welches Buch begleitet Sie gerade? Schreiben ...
Herbstzeit ist Lesezeit. Ob im kuscheligen Sessel oder auf dem Sofa – der Herbst bietet die perfekte Gelegenheit, in Geschichten einzutauchen. Auch wir in der Redaktion greifen ab und zu zum Buch. Eines davon stellen wir Ihnen hier vor. Und Sie? Welches Buch begleitet Sie gerade? Schreiben Sie uns!
Ein ungezähmtes Tier
VON JOËL DICKER
Eine Mischung aus Krimi, Familienund Liebesdrama, mit einer Prise Thriller und zaghaften Ansätzen zur Gesellschaftskritik, aber nur, wenn man sie sehen will: Joël Dickers neuster Roman «Ein ungezähmtes Tier» ist, wie seine vorhergehenden auch ein Bestseller. Die Lesenden werden sofort in den Bann der Handlung hineingezogen. Das liegt zu einem grossen Teil an der Dramaturgie, die geschickt aufgebaut ist und, im Verlauf des Geschehens immer schneller und immer dichter komponiert, zwischen verschiedenen Zeit- und Perspektiven hin- und herwechselt. Ein Stil, der mich ein wenig an Filmschnitte erinnert, und der schnell und ohne grosse Anstrengung ein lebendiges Kopfkino erzeugt. Dabei wird die eigentlich banale Geschichte in vielen kleinen Schritten entfaltet, was sie zunehmend komplexer erscheinen lässt. Erst ganz am Schluss ergibt vieles einen Sinn, das lange schleierhaft bleibt.
Man erfährt in jedem zweiten oder dritten Kapitel wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit, die einen dem Rätsel des anfänglich verworrenen Plots ein Stück näherbringen, bis sich am Ende alles nachvollziehbar, wenn auch teilweise stark übertrieben darstellt. Durch die häufigen Kapitelvorschauen werde ich zwar nicht schlauer im Hinblick darauf, was als nächstes folgen könnte, aber sie vermitteln das Gefühl, beim Lesen noch schneller vorwärtszukommen, als es durch den spannenden und eng getakteten Verlauf der Erzählung ohnehin der Fall ist. Sie sorgen für Auflockerung nebst der Information, dass die Erzählebene gewechselt wird.
Wohliges Schaudern bereiten auch die seelischen Abgründe, die sich unter der scheinbar perfekten Welt der Figuren auftun, mit Vorzeigefamilien, Traumpaaren und finanziellem Wohlstand. Dazu gehört ein Schuss erfüllter und unerfüllter Sexualität, ein gehöriger Anteil krimineller Energie und Erlebnishunger, gegenseitige Abhängigkeiten und eine Liebe, die zwischen der offiziellen Liebesgeschichte hindurchschimmert und erst gegen Ende sichtbar wird: «Auf Wiedersehen Sophie, ich habe dich so geliebt …»
Auf die Frage, wer das «ungezähmte Tier» ist, gibt es nicht nur eine Antwort, auch wenn sich alles auf die weibliche Hauptfigur bezieht, ein Panther-Tattoo, der Kosename «Meine Pantherin» und eine fatale Verbindung zu einem anderen als dem Ehe-Mann, eine uralte tragische Geschichte über ein im falschen Leben gehaltenes Raubtier, das plötzlich sein eigenes Wesen entdeckt, was zu seinem Tod führt. Mehrere Personen haben etwas raubtierhaftes, aber nicht gleich stark ausgeprägt.
Nebenbei sorgten auch der Erzählstrang als Krimi und die ganz normalen Alltagsereignisse von zwei Familien für ein flüssiges Erzählerlebnis, da sie Glaubwürdigkeit in die Geschichte bringen und die Personen sympathischer und erlebbarer machen.
Sprachlich ist das Buch eher einfach gehalten, das heisst mit kurzen Sätzen, einem lebendigen, aber nicht ausserordentlich reichhaltigen Wortschatz, wenigen, dafür prägnanten Beschreibungen und vor allem vielen Dialogen. Mängel bei der Sprache ist – auf hohem Niveau – der Hauptkritikpunkt in einigen Rezensionen, neben einer gewissen Stereotypie der Charaktere.
Der Genfer Autor Joël Dicker schafft es, ein breites Publikum zu begeistern, ohne in die Trivialität – unisono gelobt wird der Roman als intelligente Unterhaltung – abzugleiten.
Ich zumindest habe endlich einmal wieder ein Buch gefunden, das ich fast nicht mehr beiseitelegen konnte.
Die Handlung spielt im Genfer Nobelviertel Cologny. Im Mittelpunkt steht Sophie Braun, eine erfolgreiche Anwältin, die zusammen mit ihrem Mann Arpad und den beiden Kindern in einer schönen Villa lebt. Auf den ersten Blick scheint alles vorbildlich. Doch die beiden werden von Ereignissen der Vergangenheit und ihren Geheimnissen eingeholt. Sie freunden sich mit einem Paar aus der vergleichsweise einfacheren Mittelschicht an, es kommt zu Verstrickungen. Vor allem der Mann, Greg Liégan, aber auch seine Frau Karine sind fasziniert von Sophie. Er entwickelt eine Obsession, die einen wichtigen Erzählstrang bildet. Zunehmend wichtig wird auch ein Mann aus der Vergangenheit. Mittelpunkt der Handlung ist ein Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft.
BETTINA STICHER
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