«2023 müsste ein guter Jahrgang sein»
23.09.2023 ElggAm Humberg stand diese Woche der Wümmet an. Martin Lehmann vom Landwirtschaftsbetrieb im Oberhof gibt sich zufrieden. Er rechnet mit rund 1400 Liter Wein in diesem Jahr.
«74 Grad Öchsle haben wir gemessen», sagt Martin Lehmann. Wir stehen am Humberg. ...
Am Humberg stand diese Woche der Wümmet an. Martin Lehmann vom Landwirtschaftsbetrieb im Oberhof gibt sich zufrieden. Er rechnet mit rund 1400 Liter Wein in diesem Jahr.
«74 Grad Öchsle haben wir gemessen», sagt Martin Lehmann. Wir stehen am Humberg. Es ist Mittwochvormittag. Das Wetter prächtig. Die Aussicht in Richtung Schauenberg und Elgg könnte an diesem Tag nicht besser sein. Für Martin und Stefanie Lehmann, die den Landwirtschaftsbetrieb im Oberhof führen, ist es wieder so weit: Der diesjährige Wümmet steht an. Mehr als ein Dutzend Helferinnen und Helfer ernten bei strahlendem Sonnenschein auf dem Rebberg fleissig die Trauben. Darunter viele Verwandte und Freunde sowie auch die Kinder der Familie Lehmann mit ihren Gspänli.
Pünktlich legten sie los. Zuerst schnappte sich jeder noch kurz Schere, Handschuhe und Eimer. Und schon verschwinden die Helfer zwischen den Rebstöcken. Zuvor erhielten sie noch wenige Instruktionen. «Die faulen Beeren bitte entfernen», erklärt Stefanie Lehmann den Anwesenden. Die Stimmung ist heiter. Der Ernte steht nichts mehr im Weg.
1400 Liter Riesling-Sylvaner
Und diese dürfte der Familie Lehmann in diesem Jahr Freude bereiten. «2023 müsste ein guter Jahrgang werden», sagt Martin Lehmann gegenüber der «Elgger/Aadorfer Zeitung», die an diesem Vormittag auch am Humberg vor Ort ist. Dort gedeiht Weisswein der Sorte Riesling-Silvaner. Und das nicht zu knapp: «Wir dürfen uns über den nahezu vollen Ertrag freuen und rechnen damit, dieses Jahr gegen 2500 Flaschen zu produzieren», sagt Martin Lehmann, der mit seiner Familie 28 Aren Reben bewirtschaftet. Er fügt aber dennoch an: «Nicht wenige Stöcke sind von einer neuen Pilzkrankheit befallen, die sich ‹Schwarzfäule› nennt.» In der Fachsprache spricht man von Phyllosticta ampelicida. Diese bewirkt, dass die Trauben vertrocknen und abfallen. Für einen markanten Ernteausfall sorgte der Pilz dieses Jahr aber nicht. «Wir haben rund zehn Prozent Einbussen», sagt er. Das sei verkraftbar. Da habe es schon schlechtere Jahre gegeben. Beispielweise das letzte. Damals machte ihnen der Hagel zu schaffen. «Rund zwei Drittel der Ernte waren innert drei Minuten vernichtet», so Lehmann.
Klagen will die Familie aber nicht. «Im Vergleich zu anderen Rebbergen im Kanton sind unsere Trauben viel weniger betroffen von Krankheiten und Schädlingen», sagt Stefanie Lehmann. Grund dafür sei der günstige Standort, weit abgelegen von anderen Rebbergen. Die Kirschessigfliege, die vielen Winzern seit einigen Jahren das Leben schwer macht, sei am Humberg höchst selten anzutreffen. Auch deshalb werden die Trauben weniger oft mit Pflanzenschutzmitteln behandelt als anderswo. «Wir behandeln die Trauben in der Regel bloss fünf- bis siebenmal pro Saison», erklärt Martin Lehmann. Und er ergänzt: «Ganz ohne Fungizid geht es aber natürlich nicht.»
Der Rebberg respektive der Weinbau ist für die Familie ein Nebengeschäft. «Der Wein ist fast wie ein Hobby», sagt Martin Lehmann. Und Stefanie ergänzt: «Davon können wir nicht leben.» Das Kerngeschäft ist der Bauernbetrieb. Die Familie bewirtschaftet einen 73 Hektar grossen Landwirtschaftsbetrieb, der auf Ackerbau und Milchwirtschaft ausgerichtet ist. Rund 150 Tiere sind im Oberhof beheimatet – darunter Milchkühe, Aufzuchtrinder, Mastmunis und Kälber. Der Betrieb wird inzwischen in dritter Generation geführt. Ganz so alt sind die Reben noch nicht. Sie wurden 1985 gepflanzt.
Wein «ab Hof»
Wein macht die Familie inzwischen seit 1988, konkret das «Elgger Engelströpfli» und den «Elgger vom Humperg». Verkauft wird er direkt ab Hof sowie in einzelnen Dorfläden und der Landi Räterschen. Erhältlich sei der Wein unter anderem auch in Kuppers Hofladen und bei der Gärtnerei Wettstein. Gekeltert respektive hergestellt wird der Riesling-Silvaner seit letztem Jahr auf dem Berghof in Wiesendangen. «Lukas Kindhauser macht aus den Trauben den Wein», sagt Stefanie Lehmann. Selten vorzufinden ist der eigene Wein derzeit in den Restaurants der Region. Hier kämpfe man etwas gegen die Weine aus dem billigeren Preissegment, meint sie. Sie räumt aber auch ein, beim Marketing habe man noch Verbesserungspotenzial. «Die Tiere und der Landwirtschaftsbetrieb stehen oft an erster Stelle.» Eine Flasche «Elgger vom Humperg» koste ab Hof 13 Franken.
Auf ihrer Website betitelt die Familie den Rebberg am Humberg als den höchstgelegensten im Kanton Zürich; 590 Meter über Meer liege er. Ob das auch wirklich stimmt? «Das Rebbaukataster bestätigt uns diese Lage», erwidert Martin Lehmann auf unsere Frage. Stefanie und er verfügen aber noch über ein weiteres Allleinstellungsmerkmal: In Elgg sind sie die letzte Familie, die noch Reben besitzt. Der Rebberg am Humberg ist der einzige in ganz Elgg. Das war früher noch anders. Bis etwa 1956 gab es noch zahlreiche Rebberge in der Gemeinde. Diese wurden jedoch von Schädlingen befallen. Darauf machte jüngst auch der Autor Klaus Schilling in seinem neuen Buch «Baumtrotten» aufmerksam.
Die Familie Lehmann stört das nicht. Am Humberg kommt man in den Genuss von hauseigenem Wein. So auch noch am Mittwochnachmittag. Nach der Wümmet gab es für die Erwachsenen noch Wein – natürlich aus eigener Produktion. Und auch für das leibliche Wohl wurde mit einer Gerstensuppe und Vesperplatte gesorgt.
RAFAEL LUTZ