16 Jahre Gemeindepräsident Elgg – fast ein Rekord

  28.06.2022 Elgg

Nachdem sich Christoph Ziegler am Samstag auf dem Meisenplatz von der Bevölkerung verabschiedete, blickt er heute im grossen Interview auf sein Schaffen zurück.

Er hatte echtes Sitzleder und bewegte so einiges während seiner Amtszeit. Die Rede ist natürlich von Christoph Ziegler, der sich sage und schreibe 20 Jahre im Gemeinderat und davon deren 16 als Präsident für die Bevölkerung Elggs engagierte. Er ist damit wohl derjenige, der seit 1798 (nach der französischen Revolution) am zweitlängsten im Präsidialamt war – so sagt es zumindest die «Geschichte des Landstädtchens Elgg», die im Jahr 2010 zur 1250-Jahr-Feier herauskam und als Nachfolge der «Elgger Chronik» von Karl Mietlich gilt. Mit Bestimmtheit lasse sich laut Co-Autorin Hedi Lutz sagen, dass es Jakob Spiller von der damaligen Bauernpartei 20 Jahre lang (1934-1954) auf dem Präsidentenstuhl aushielt. Eine Lücke bestehe allerdings zwischen den Jahren 1831 (H. Zwingli) und 1868 (J. Müller), wo mindestens ein Name fehle, «den oder die wir, das heisst weder ich noch der Historiker, eruieren konnten».
Wie es nun sei: Ende Monat ist für Ziegler Schluss, weshalb er heute im Interview ein Blick zurück und voraus wirft:

CHRISTOPH ZIEGLER, EINE BEACHTLICHE ZEIT IN DER ELGGER EXEKUTIVE. GING IHNEN DER SCHNAUF NIE AUS?
Nein, ich denke nicht. Es gab natürlich Phasen, die strenger waren. Es ist aber so, dass ich auch jetzt noch manchmal das Gefühl habe, ich hätte noch vier Jahre dranhängen können. Aber es ist gut und richtig, nun aufzuhören. Man muss es dann tun, wenn man eben noch Schnauf hat. Und den hatte ich bis am Schluss. Wir setzten in letzter Zeit noch viele grosse Aufgaben um, beispielsweise die Revision der BZO.

HABEN SIE EIN GEHEIMREZEPT, UM DIE NÖTIGE ENERGIE ZU TANKEN, DIE ES MANCHMAL ZWEIFELSOHNE BRAUCHT?
Das Wichtigste für mich ist ein effizientes Zeitmanagement, eine gute Planung. Wann mache ich welchen Schritt an welchem Tag? Das zweite, das ich mit der Zeit realisierte: Ich lebe Tag für Tag. Jeweils am Vorabend schaue ich in der Agenda nach, was am nächsten Tag ansteht. So lässt man sich nicht von alldem überrollen, das später noch kommt. Dann ist sicher die Zeit mit meiner Frau wichtig, respektive die gute Absprache mit ihr. Sie hielt mir stets den Rücken frei. Zudem tanke ich Kraft in der Natur und beim Sport.

So manches erreicht und umgesetzt

VIELES WURDE UNTER IHRER FÜHRUNG GUT GEMACHT UND ELGG ENTWICKELTE SICH POSITIV. WAS WURDE BESONDERS GUT GEMACHT?
Das müssen grundsätzlich andere beurteilen. Aber ich würde da die Fusion mit Hofstetten hervorheben. Wir brachten diese ohne Misstöne und mit grosser Zustimmung über die Bühne. Dann bin ich als Ressortleiter für Liegenschaften und Gemeindeentwicklung stolz auf die realisierten Bauten. Ich spreche da zum Beispiel vom neuen Gemeindehaus oder dem Umbau des Werkgebäudes mit einem Saal, der mir im Vergleich zu früher sehr gut gefällt. Aber auch die grosse Renovation des «Schwümbi». Das wird bleibende Erinnerungen bei mir hinterlassen. Erwähnen möchte ich auch noch die zwei Feiern, die ich zusammen mit dem Gemeinderat quasi als OK-Präsident organisieren durfte. Das war einerseits 1250 Jahre elgg, wo wir alle 1250 Stunden einen Event durchführten. Andererseits 650 Jahre Stadtrecht. Beides ist sicherlich gut gelungen.

WAS BERÜHRTE SIE IN DER ZEIT ALS GEMEINDEPRÄSIDENT MENSCHLICH AM POSITIVSTEN? ETWAS, DAS SIE NIE MEHR VERGESSEN …
Sehr viel Dankbarkeit aus der Bevölkerung. Nur als ein Beispiel: Zu Beginn besuchte ich mit der Gemeindeschreiberin immer alle, die den 90. Geburtstag und älter, oder beispielsweise die goldene Hochzeit feierten. Ich war ja in den ersten Jahren meiner Amtszeit selbst noch jung, weshalb mir diese Besuche noch etwas komisch vorkamen. Jemand feierte dann an einem 23. Dezember Geburtstag, als Sonja Lambrigger nicht arbeitete, weshalb ich meine Frau mitnahm. Nach diesem Besuch sagte sie zu mir, dass sie nun gut verstehe, warum ich nach diesen Besuchen immer aufgestellt nach Hause käme. Diese Leute sind so dankbar, haben jeweils derart Freude und geben das zurück. Das ist mega schön!

Der Umgang mit Kritik

BEKAMEN SIE AUCH SCHON EINEN DICKEN HALS ODER SIND SIE IMMER DER COOLE, GEERDETE TYP, WIE SIE NACH AUSSEN RÜBERKOMMEN?
(Lacht). Ich muss vorneweg sagen: es war eine wirklich gute Zeit. Beruflich das Beste, was ich machte. Es gab aber, vor allem gegen das Ende, schon Situationen, die mich nervten. Sachen, wie beispielsweise Aussagen oder Vorwürfe in gewissen Zeitungsartikeln, die hinten und vorne nicht stimmten und wofür ich mich rechtfertigen musste. Das regte mich manchmal auf. Aber alles in allem darf ich sagen: Ich bin überhaupt nicht zu bedauern. Es war eine schöne Zeit.

ES IST NORMAL, DASS ES AUCH KRITIK GIBT. AUGENSCHEINLICH WAREN VERSCHIEDENE KREISE MIT DER KOMMUNIKATION AUS GEMEINDERAT UND VERWALTUNG NICHT ZUFRIEDEN. WAS SAGEN SIE ZU SOLCHER KRITIK UND WIE SOLLTE MAN IHR ENTGEGNEN?
Grundsätzlich finde ich es wichtig, alle mit einzubinden. Mir war es immer ein Anliegen, vor allem auch bei Parteien und Vereinigungen, welche nicht Teil des Gemeinderats waren, an die Versammlungen zu gehen und zu informieren. Mit der Zeit luden sie mich aber nicht mehr ein. Sie sagten, es sei alles gut. Dann plötzlich lesen zu müssen, sie wären nicht mehr informiert, finde ich komisch. Wenn beispielsweise eine Gruppe von engagierten Leuten Informationen aus dem Gemeindehaus will, wäre es doch naheliegend, wenn man mich zu ihrer Veranstaltung einlädt. Es wurde zwar nicht explizit meine persönliche Kommunikation kritisiert. Aber als Gemeindepräsident fühlt man sich eben für alles verantwortlich.

MEINE SUBJEKTIVE WAHRNEHMUNG ZEIGT, DASS ZUMINDEST VERSUCHT WURDE, AUF DAS PROBLEM DER KOMMUNIKATION ZU REAGIEREN. SO GAB ES ZUM BEISPIEL IN DEN LETZTEN MONATEN UND JAHREN VERMEHRT INFORMATIONS-VERANSTALTUNGEN DER GEMEINDE …
Natürlich. Nebst diesen führten wir auch Crossiety ein, welches unter anderem die Vereine wünschten. Wir reagierten selbstverständlich auf die Kritik. Ich erwähne auch die Verwaltungsreform, im Rahmen derer ich dem Gemeindeschreiber mehr Kapazität für Kommunikation gab. Man stellt ihm dafür gegenüber vorher ein grösseres Zeitfenster zur Verfügung.

Mit Freude und Wehmut

ENDE MONAT IST SCHLUSS IN SACHEN EXEKUTIVARBEIT IN ELGG. WIE IST IHR BEFINDEN? ÜBERWIEGT DIE FREUDE ODER EHER WEHMUT?
Es ist beides da. Ich freue mich über mehr Zeit für Freundschaften. Die kamen während der intensiven Zeit als Gemeindepräsident etwas zu kurz. Dann gewinne ich Zeit, um vermehrt Sport zu treiben. Und es freut mich, dass ich danach nicht mehr jeden Abend den vollen Terminkalender vom Folgetag studieren muss. Wehmut ist sicher auch vorhanden. Man sieht es aktuell auch hier in meinem Büro, wo vieles schon gepackt ist. Da frage ich mich, was nun bleibt. An jeder Veranstaltung, seit der Rücktritt beschlossen war, dachte ich: Das ist nun das letzte Mal. Aber ich schaue nach vorne und werde viele schöne ErinnErungen mitnehmen dürfen.

SIE GEWINNEN KÜNFTIG ZEIT, ABER DIE ARBEIT WIRD IHNEN NICHT AUSGEHEN. SIE BLEIBEN LEHRER VON BERUF …
Ich werde dort das Pensum sogar leicht erhöhen. Das hat damit zu tun, weil Lehrer ein völlig lässiger Beruf ist. Ich freue mich darauf, emotional noch etwas gesteigert im Lehrerberuf weiterzuarbeiten.

SIE ENGAGIEREN SICH WEITERHIN IM KANTONSRAT UND ALS PRÄSIDENT DER GENOSSENSCHAFT DES THEATER KANTON ZÜRICH. WIE GEH T ES DIESBEZÜGLICH WEITER? KÖNNEN SIE DAZU SCHON ETWAS SAGEN?
Ich nehme mir vor, meinen RücktRitt oder quasi die Pensionierung frühzeitig und in Stufen zu planen. Ich will nicht von 120 auf null abbremsen müssen. Aber langweilig wird es mir mit all meinen Verpflichtungen sicher nicht.

ALSO IST NOCH NICHT GEPLANT, DIE NÄCHSTE LEGISLATUR IM KANTONSRAT NICHT MEHR IN ANGRIFF ZU NEHMEN?
Grundsätzlich macht mir die Arbeit im Kantonsrat Spass, und ich habe die Absicht, mich dort auch in der nächsten Legislatur für Elgg einzusetzen. Jetzt aber mache ich erst einmal diesen ersten, grossen Schritt mit dem Gemeindepräsidium. Ich freue mich, fühle mich teilweise bereits kurz vor einer Teilpensionierung (schmunzelt).

Immer eine gute Zusammenarbeit

GIBT ES NOCH ETWAS, DAS SIE IHRER NACHFOLGERIN MIT AUF DEN WEG GEBEN MÖCHTEN?
Nicht als Tipp, aber als allgemeine Erfahrung: Als Gemeindepräsident oder -präsidentin ist es sehr wichtig, dass man für alle da ist, allen zuhört und sie versucht einzubinden. Teilweise muss man halt auch Sachen vertreten, die einem etwas gegen den Strich gehen. Ich versuchte immer, die Gemeinde nicht nur zu verwalten, sondern auch was anzureissen und zu gestalten.

ZUM SCHLUSS GEHÖRT DIE PLATTFORM GANZ IHNEN, UM DANKE ZU SAGEN …
Wir haben erstens einen Gemeinderat, in dem wir es wirklich immer, mit Betonung darauf, sehr gut zusammen hatten. Man diskutierte zwar kontrovers, trat aber gegen aussen geeint auf. Menschlich stimmte es immer: Wir gingen beispielsweise zusammen essen oder an Feste. Ich hoffe und denke auch, dass dabei ein paar Freundschaften fürs Leben geschlossen wurden. Ich danke dem gesamten Gemeinderat für die gute Zeit. Danke auch der Verwaltung für den grossen Einsatz für Elgg. Speziell erwähnen darf ich Sonja Lambrigger, die mich die ganze Zeit begleitete. Wir waren ein eingespieltes Team. Mein Dank geht natürlich auch an die Bevölkerung, die mich so lange unterstützt hat und mir so viel zurückgab.

Die «Elgger/Aadorfer Zeitung» bedankt sich für das Interview und die gute Zusammenarbeit und wünscht Christoph Ziegler alles Gute für die Zukunft!

TEXT UND INTERVIEW:

RENÉ FISCHER


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