Ein- und Ausblicke in nationale und lokale Politarbeit
11.09.2025 ElggEine Podiumsdiskussion über Sicherheitspolitik und internationale Entwicklung mit zwei Nationalräten, die Präsentation von Umfrageresultaten und ein gemütlicher Ausklang im geselligen Rahmen: Das Programm der SP Elgg-Hagenbuch versprach einen abwechslungsreichen Abend.
...Eine Podiumsdiskussion über Sicherheitspolitik und internationale Entwicklung mit zwei Nationalräten, die Präsentation von Umfrageresultaten und ein gemütlicher Ausklang im geselligen Rahmen: Das Programm der SP Elgg-Hagenbuch versprach einen abwechslungsreichen Abend.
Für den ersten Teil des Abends hatten die Organisatoren ein Podium mit roten Sesseln vorbereitet, alles war angerichtet. Nur die Gäste fehlten: Sie sassen in der S-Bahn, versäumten aber den Ausstieg. «Wir haben angeregt diskutiert, und als wir merkten, dass wir im Bahnhof Elgg standen, war es schon zu spät. Gut, konnten wir in Aadorf den nächsten Zug zurück nehmen», entschuldigte sich Nationalrat Fabian Molina für das verspätete Eintreffen im Kultursaal Bärenhof. Moderiert wurde das Gespräch von Roman Rütsche, Vorstandsmitglied der SP Elgg-Hagenbuch. Er freute sich über das rege Interesse, auf das der parteioffene Anlass gestossen sei und stellte Molina gleich die erste Frage: «Was macht dich nervöser, dein politischer Alltag oder wenn du ein Ikea-Möbel ohne Anleitung zusammensetzen müsstest?»
Der 35Jährige stellte sich vor mit einem Rückblick auf seine Laufbahn und ging vertieft auf seine Tätigkeit in der Aussenpolitischen Kommission ein – mehr als auf jene in der Sicherheitspolitischen Kommission, da die ebenfalls anwesende Priska Seiler Graf dieser als Präsidentin vorstehe, wie er betonte. Aussenpolitisch im Fokus stehen die Beziehung zur Europäischen Union, die Konflikte in der Ukraine und Gaza sowie die Zollpolitik der USA. Seinen Einblick schloss er mit den Worten, dass ihn das Zusammensetzen des Möbels wohl «hässiger» machen würde, als die politische Arbeit. «Ich bin ursprünglich Sekundarlehrerin und Ballettpädagogin, davor war ich in der Kommunalpolitik, dann im Kantonsrat und seit 2015 Nationalrätin», präsentierte sich Priska Seiler Graf. In der Sicherheitspolitischen Kommission sitzt die 57Jährige seit Beginn ihrer Zeit in Bern ein, momentan präsidiert sie diese.
Nach der Vorstellungsrunde stellte Rütsche die Frage, ob wir als neutrales Land überhaupt eine Armee brauchen. Beide Nationalräte konnten die Frage bejahen, wenn auch mit verschiedenen Argumenten. Beide empfehlen der Schweiz, vermehrt Kooperationen einzugehen, wir könnten nicht vom Schutzschirm unserer Nachbarn profitieren und uns darauf verlassen, dass wir einfach mitgeschützt würden. «Wir müssen mitziehen, soweit es unsere Neutralität zulässt,» so Seiler Graf. Auch Molina, Mitglied der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), sieht die Notwendigkeit einer Armee, aber: «Das Ziel muss eine Welt ohne nationalstaatliche Armeen sein. Wir brauchen ein funktionierendes System des Multilateralismus, der kollektiven Sicherheit, das den Frieden über Institutionen sichert.» Er sieht die aktuelle Bedrohungslage weniger in einem Angriff eines anderen Staates, viel mehr durch Desinformationskampagnen, Spionage – die Schweiz sei ein Hub russischer, iranischer, türkischer und chinesischer Spione – sowie ständiger Cyberattacken. Um dieser Situation zu begegnen, brauche es weder Panzer noch neue Kampfjets, sondern eine Strategie, wie das Geld für die Armee sinnvoller eingesetzt werden könne. «Wir müssen unsere Glaubwürdigkeit, gezielt einsetzen zur Konfliktprävention,» beendete er seine Ausführung.
Cybersicherheit geniesst zu geringe Priorität
Cybersicherheit war das nächste Kernthema, das zur Sprache kam. Die SP habe die heutigen Probleme und die Notwendigkeit einer Abwehr schon vor zehn Jahren vorausgesehen, aber erst unter Armeechef Thomas Süssli habe man angefangen, zu investieren. Das neu geschaffene Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) ist dem Bundesamt für Verteidigung unterstellt, was sowohl Seiler Graf wie auch Molina als nicht optimal empfinden – zu reden gab aber weniger das Organigramm als vielmehr das Budget: «Das BACS kann gerade mal 15 Millionen Franken ausgeben – und das bei einem Armeebudget von 7,5 Milliarden, das zeigt die Priorität, die diesem Bereich eingeräumt wird», führte Molina aus. «Die Armee braucht immer mehr Geld, wobei niemand genau weiss, wofür. Das fehlt dann andernorts. Vor allem die bürgerliche Seite will immer mehr ins Militär investieren und trocknet damit andere Bereiche wie die Cybersicherheit, das Fedpol oder Massnahmen gegen den Klimawandel regelrecht aus,» ergänzte Seiler Graf.
In der nächsten Frage Rütsches ging es um die geplante Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz zu einem Sicherheitsdienst, die es mit einem Referendum zu verhindern gelte. Die Massnahme habe einzig und allein zum Ziel, den Wechsel von Soldaten in den Zivildienst zu erschweren, ist die Nationalrätin: «Es gibt keine Beweisführung, dass die Truppe zu wenig Personal hat. Das Narrativ, dass der Zivildienst die Schuld am Mangel trägt, hat sich gefestigt. Die Armee wird aber nicht attraktiver, wenn man den Zivildienst unattraktiv macht!» Ein Austritt, respektive Wechsel solle mit schikanösen Massnahmen verhindert werden, echauffierte sich die Politikerin weiter.
Unbedingte Annäherung an Europa als Ziel
Fabian Molina erklärte als nächstes die Wichtigkeit guter Beziehungen zur Europäischen Union (EU). «Wir profitieren von unserer geografischen Lage inmitten zuverlässiger Nachbarn, mit denen wir über die bilateralen Verträge verbunden sind. Dieser Weg muss abgesichert und weiterbeschritten werden, sonst erodiert die Beziehung. Darum brauchen wir das neue Vertragspaket!» Wie Alleingänge herauskämen, habe das Beispiel der Verhandlungen zwischen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und US-Präsident Donald Trump gezeigt. Das Resultat seien völkerrechtswidrige Zölle von 39 Prozent, die höchsten in ganz Europa. «Ich sehe auch keine Lösung in Bezug auf die Zollproblematik mit den USA. Sie sind kein zuverlässiger Partner mehr – daher gibt es für die Schweiz nur eines: wir müssen uns mehr nach Europa ausrichten, mit mehr Engagement als bisher,» schloss Seiler Graf das emotionale Thema.
Aus Sicht der beiden Bundespolitiker muss die internationale Zusammenarbeit verstärkt, Beschaffungen insbesondere mit den Nachbarländern koordiniert und die Ukraine besser unterstützt werden. Denn: «Sie verteidigt unsere Werte.» Als Letztes diskutierte Roman Rütsche mit seinen Gästen ihre Arbeit in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Am meisten zu reden gab das Debakel um die Beschaffung des amerikanischen Kampfjets F35. Das Evaluationsverfahren sei von Anfang an auf dieses Fliegermodell ausgerichtet gewesen, ein anderes Produkt habe gar nie eine reelle Chance gehabt. Ein Ausstieg aus dem Vertrag wäre zwar noch möglich, doch es fehle klar am Willen – sowohl dazu als auch zur Suche eines (europäischen) Ersatzfliegers. Allerdings wäre bei einem solchen Vorgehen die bereits bezahlte Milliarde verloren.
Umfrageergebnisse bestimmen die Wahlkampfthemen
Im zweiten Teil des Abend präsentierten Erich Wegmann (für Elgg) und Horst Steinmann (für Hagenbuch) die Auswertung der Bevölkerungsumfrage «Red mit – Für Elgg». Diese dienen der SP als Basis für die bevorstehende Wahlkampfstrategie. «Wir wollten herausfinden, was die Menschen in unseren Dörfern bewegt. Die Umfrage kann in drei Bereiche unterteilt werden: Sicherheit, Finanzen und Familie», erklärte Wegmann, bevor er durch die zahlreichen Folien führte. Mit den grössten Werten «Sehr wichtig» wurden die Aspekte Wohnen, Frieden und Schule bewertet – jeweils mit Prozentzahlen von weit über 70; gefolgt von Klima, Fussgängersicherheit oder Littering. Erstaunt zeigten sich die beiden Präsentatoren über die Zufriedenheit mit den Institutionen, die mit «42 Prozent sehr wichtig» und «wichtig 56 Prozent» besser als gedacht ausfiel. Aus Hagenbuch resultieren etwas andere Zahlen, aber im Grossen und Ganzen tickt die Bevölkerung ähnlich wie in Elgg. Unterschiede sind in der Wichtigkeit/Zufriedenheit mit dem Öffentlichen Verkehr auszumachen. Aussenwachten, die nicht angeschlossen sind, reagieren logischerweise unzufriedener – dasselbe auch hinsichtlich Parkplatzangebot oder Tempo 30-Zonen. Interessant auch die Unterschiede bei der Frage nach Arbeitsplätzen – diesen wird in Hagenbuch nicht die gleiche Bedeutung zugewiesen, wie in Elgg. Hagenbuch gilt als Schlafdorf, die Leute fahren nach Winterthur, Zürich oder in den Thurgau zur Arbeit, im Dorf selbst arbeitet kaum jemand.
Erich Wegmann, erklärter Sympathisant einer Einheitsgemeinde, zeigte sich etwas enttäuscht über die Bewertung – nur gerade 21 Prozent der Elgger finden das Anliegen sehr wichtig, immerhin 39 Prozent taxieren es als wichtig. Dafür wird der Punkt in Hagenbuch wichtiger eingestuft, aber das Dorf im Grünen ist bereits entsprechend aufgestellt.
Die Ergebnisse wurden von den beiden Nationalräten aufmerksam verfolgt und abschliessend kommentiert. Molina lobte die Umfrage und erläuterte die Bedeutung von Steuern: «Der Begriff heisst ja ‹steuern› – Bedeutet, mit den Steuern kann die Politik steuern, in welche Richtung eine Gesellschaft gehen soll. Wichtig wäre, die Steuerlast gerechter zu verteilen.» Seiler Graf betonte, dass es wichtig sei, dass die Menschen sehen könnten, wohin ihre Steuergelder fliessen würden: «Sportplätze, Spielplätze oder Ortsbusse sind ein gutes Mittel, etwas zurückzugeben.»
Ein Abend wie angekündigt
Am Parteivorstand liegt es nun, aus dem Umfrageergebnis, die richtigen Themen für den bevorstehenden Wahlkampf zu definieren. Der Rücklauf ist
mit 5,6 Prozent in Elgg – in Hagenbuch sogar etwas mehr – respektabel und dürfte der Partei den Weg zeigen, auf welches Pferd sich ein Einsatz lohnt.
Dem neutralen Gast bot der Abend einen Einblick in die Arbeit der politischen Kommissionen und in die Parteiarbeit. Seitenhiebe und Gifteleien gegen «die andere Seite» wurden von einem Grossteil des Publikums mit Zustimmung aufgenommen – umgekehrt wäre es vielleicht nicht anders gewesen. Interessant war auf jeden Fall, zwei Nationalräte einmal aus der Nähe und nicht bloss am Freitagabend in der Arena zu erleben.
MARIANNE BURGENER